SchspIN

Gedanken einer Schauspielerin

Au weia, ist das deutsch…

Vom Wasser, Laufen und einer typisch deutschen Situation

26.7.15 Vielleicht wissen es einige schon, ich bin ja seit einem Jahr Läuferin (Die Sache mit der Bavaria und den Schuhen). Meine übliche Strecke sind die 5.000 m, ich habe auch schon an einigen Läufen teilgenommen, gerade gestern erst wieder! Da fand die 24. City-Nacht Berlin auf dem Kurfürstendamm statt. Für meine Disziplin hieß das 2,5 km hin, 2,5 km zurück auf einem abgesperrten Teil des Ku’damms ohne Autos – angefeuert von mehreren Sambagruppen und Menschen am Straßenrand.

Am Ende, nach dem Zieleinlauf, warteten Freiwillige Helfer*innen mit Wasser, Tee und Bier, oder alkoholfreiem Bier, keine Ahnung, ich trank nur Tee und Wasser.

Jetzt muss ich zum einen sagen, dass ich es immer toll finde, wie gut organisiert diese Läufe und das Drumherum ablaufen, und wie viele Leute helfen, ohne die das Ganze gar nicht möglich wäre. Aber zum anderen fallen mir jedes Mal die großen Müllmengen auf. 

Intersport Olympialauf, Berlin.

Intersport Olympialauf, Berlin. Foto: SchspIN

Es gibt Plastikbecher für die Getränke, Bioabfall (da bei vielen Läufen hinterher Obst ausgegeben wird, z.B. Bananen, Ananas oder Melonen), und Papiermüll (von der verteilten Werbung). Ich habe noch keinen Laufevent mit Mülltrennung erlebt. Aber das ist ein anderes Thema.

Zurück zur City-Nacht. Also, ich lief durch’s Ziel, nahm meine Urkunde in Empfang und ging weiter zu den Tischen mit den Wasserbechern.

  • Ich: (nehme einen) Danke! (trinke ihn leer, halte ihn einer Helferin hin) Können Sie mir den bitte wieder auffüllen?
  • Helferin: (reicht mir einen vollen Becher) Bittesehr!
  • Ich: Ach kippen Sie das doch einfach in meinen Becher, dann könnense den nochmal nehmen.
  • Helferin: (will den vollen Becher in meinem leeren stellen)
  • Ich: Nein, nur das Wasser!
  • Helferin: Gut. (kippt das Wasser aus ihrem Becher in meinen). Aber den muss ich jetzt trotzdem wegwerfen.
  • Ich: Was?
  • Helferin: Ja: Das müssen wir. Das ist die Vorschrift.

An dieser Stelle muss ich vielleicht ergänzen, dass die Helferin Gummihandschuhe trug. Und ihren Becher natürlich nur von außen angefasst hatte. Das heißt, sie hatte den Becher mit ihrer gummibehandschuhten Hand vom Tisch genommen, leicht gekippt und so das Wasser in meinen Becher gegossen, und warf dann den leeren Becher in den Müll. Den Becher, den ich weder mit meinen 5.000 m gelaufenen Händen noch mit meinem Mund berührt hatte. Nicht mal die beiden Becher hatten Kontakt.

  • Ich: Aaaaah!!!! Das ist so deutsch!!!!!!

Nee, stimmt nicht. Ich war ja gerade 5.000 m gelaufen. Also hab ich nicht rumgebrüllt. Hätte ich aber auch so nicht gemacht. Ich habe es ziemlich leise gesagt, und ging weiter zum nächsten Tisch, und goss mir mit einem Becher meinen mittlerweile leeren wieder voll. Und die Helferin dort füllte den dann einfach wieder auf.

Aber trotzdem. Was für eine Vorschrift. Was für eine Verschwendung. Überhaupt nicht nachvollziehbar. Und natürlich gibt es immer wieder Menschen, die sich (trotzdem) daran halten. So wie es immer wieder Menschen gibt, die sich an Vorschriften – oder ungeschriebene Gesetze – in der Film- und Fernsehbranche halten (Stichwort: Einschaltquoten und (Nicht-)Risikobereitschaft) oder sonstwo, ohne sie auch nur ansatzweise in Frage zu stellen. Die oft gar nicht sagen können, was die Vorschrift eigentlich bewirken oder verhindern soll. Denen es reicht, dass es eine Vorschrift gibt. So ist das eben. Und das finde ich sehr deutsch.

Foto: SchspIN

Foto: SchspIN

Heute, am Morgen nach dem City-Nacht Lauf, fuhr ich zum Olympiastadion, dort finden vom 27.7. bis zum 5.8. die Europäischen Makkabi Spiele statt, und ich hatte mich kurzfristig als Voluntärin gemeldet. Auslöser war ein Radiointerview mit einem der Veranstalter*innen, der u.a. erzählte, dass es sehr schwer gewesen sei, Sponsoring für die Spiele zu bekommen – viele der Firmen, die sonst Sportereignisse sponsorn (z.B. ,meine’ Laufevents), hätten abgewunken. Also guckte ich, ob ich zumindestens helfen könnte. Und mich dabei quasi auch für den Einsatz der vielen Freiwilligen bei den Laufveranstaltungen revanchiere.

Jedenfalls gab es heute Vormittag eine Einführungsveranstaltung für die ca. 340 Volunteers im Kuppelsaal auf dem Olympiagelände. Im Kuppelsaal fanden bei den Olympischen Spielen 1936, an denen jüdische deutsche Sportler*innen nicht teilnehmen durften, die Fechtwettkämpfe statt, und diese Woche wird es hier die Fechtwettkämpfe der Makkabi Spiele geben.

Kuppelsaal, Detail. Foto: SchspIN

Kuppelsaal, Detail. Foto: SchspIN

Der Beginn verzögerte sich, wir saßen rum und warteten, und so ziemlich alle hatten Wassertetrapacks. Ich nicht. Die Ausgabe musste ich wohl verpasst haben. Und meine mitgebrachte Flasche hatte ich schon ausgetrunken. Also fragte ich meinen Sitznachbarn, was das mit diesen Tetrapacks ist und er meinte die wären verteilt worden, und es gäbe wohl noch welche da hinten ,auf der Bühne’ (d.h. auf der gegenüberliegenden Seite von dem Bogen der Publikumstribüne). Ich ging rüber, und da gab es Boxen mit Tetrapacks aber auch die Lunchpakete. Auf bzw. hinter so Tischen. Kurzum, das sah sehr nach „für später“ aus. Also traute ich mich nicht, ein Wasser zu nehmen. Auf der Bühnenseite standen drei mittelältere Herren, die ,Organisation‘ ausstrahlten, ich fragte sie etwas halbherzig, wie das mit dem Wasser sei. Und ich rechnete damit, dass sie sagen würden „Das Wasser gibt es später zusammen mit den Lunchpaketen“ oder „Das Wasser ist schon ausgeteilt worden, alle kriegen nur 1“. Im Grunde erwartete ich eine typisch deutsche Antwort. Aber nein. Die Makkabi Spiele sind eine jüdische Sportveranstaltung. Also lief das Gespräch anders ab.

  • Ich: Kann ich mir vielleicht ein Wasser nehmen?
  • Der eine Mann: Gibt es denn Wasser?
  • Ich: Ja, da steht welches, aber da sind auch diese Lunchpakete daneben.
  • Der eine Mann: Hast Du denn Durst?
  • Ich: Ja, schon.
  • Der eine Mann: Dann solltest Du Dir ein Wasser nehmen.
  • Ich: Ja, aber vielleicht ist das ja für später?
  • Der eine Mann (mit einem Zwinkern): Es wäre nicht gut, wenn Du hier vertrocknest, deshalb solltest Du jetzt ein Wasser nehmen.

Gibt es denn Wasser? Hast Du denn Durst?

Toll. So einfach können Fragen sein. Und Lösungen auch. Und wieder denke ich an die Film- und Fernsehbranche.

Prost!

Wasser und Volunteer Badge. Foto: SchspIN

Wasser und Volunteer Badge. Foto: SchspIN

Kommentare sind geschlossen.