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Gedanken einer Schauspielerin

Kunst oder Kommerz 2013: Vor der Kamera – Give me Art, Give me Money 2013: In Front of the Camera

English Version follows German.

Kunst oder Kommerz 2013: Vor der Kamera

Vor ein paar Wochen hatte ich es angekündigt: heute geht es um Besetzungen, d.h. um Frauen und Männer vor der Kamera in kommerziell erfolgreichen bzw. preiswürdigen deutschen Kino- und Fernsehproduktionen. Hierfür untersuchte ich vier Gruppen von Filmen aus dem Jahr 2013: Die Top 20 Kassenerfolge im Kino, die 20 Nominierungen zum Deutschen Filmpreis, die Top 20 Fernsehfilme mit den höchsten Quotenerfolge TV, und die 17 Nominierungen zum Grimmepreis, also insgesamt 97 Filme.
Die Filmtitel – nebst Regie und Produktionsfirmen – gibt es hier: Der 4 Filmgruppen-Vergleich 2013.

Fragestellung:

Ausgewertet habe ich die Frauen– und Männeranteile für den Gesamtcast sowie die Haupt-, Neben- und erstgenannten Rollen. Außerdem habe ich den Rollenquozienten (Verhältnis Frauen- zu Männerrollen, also 1 zu x) für jede der vier Gruppen ermittelt und mit dem Vorjahr (2012) verglichen, und schließlich den Rollenquozienten für Kino- und Fernsehfilme untersucht für die Filme von Regisseurinnen bzw. Regisseuren.

Datenmaterial:

Das Datenmaterial ist wie immer nicht vollständig. Ich bin auf öffentlich zugängliche Informationen angewiesen, also in diesem Fall um Besetzungslisten, die leider unvollständig sind.Ich habe für (fast) alle Filme die Angaben der Datenbank von Crew United verwendet, die zwischen Haupt- und Nebenrollen unterscheidet. Aber auch diese Angaben sind nicht komplett. Oft tragen Produktionen nur die Crews ein – und auch die nicht immer alle – und vielleicht noch die Hauptrollen, den Rest tragen in der Regel Schauspieler/innen selber ein. Auch bei imdb ist das so. Und auf den Webseiten der Filme – wenn es eine gibt – sind auch nur die Hauptrollen aufgeführt, machmal vielleicht ein Hauptcast bestehend aus 10 Rollen. Auch die Unterscheidung Hauptrolle / Nebenrolle ist bei Crew United nicht immer einheitlich, was der Vergleich der eingetragenen Tatorte zeigt.

Ergebnisse:

Ihr könnt ans Ende dieses Textes gehen, das Fazit lesen und die sieben beschrifteten Abbildungen der Auswertungen in der Bildergalerie  angucken. Oder Ihr lest vorher noch meine Anmerkungen.

In jeder der vier untersuchten Filmgruppen bzw. Kategorien gab es 2013 mehr männliche als weibliche Rollen. Mal wieder!
Der Frauenanteil an den Hauptrollen liegt in allen Gruppen um die 40 %, die Unterschiede in der Gesamtrollenverteilung liegt also hauptsächlich an den Nebenrollen.
Die beiden Kinofilmgruppen unterscheiden sich weniger deutlich als im Vorjahr. 2012 hatten die Filmpreisnominierungen insgesamt mehr als doppelt so viele Männer- wie Frauenrollen und bei den Kinokassenerfolgen war das Verhältnis 1:1,4. Diesmal liegen die Werte für die beiden Filmgruppen näher aneinander, wobei wiederum das Verhältnis bei den Filmpreisnominierungen männerlastiger ist.
Vom Geschlecht der erstgenannten Rollen kann nicht wirklich auf die Geschlechterzusammensetzung der Hauptrollen geschlossen werden. Selbst wenn es in einer Filmgruppe mehr weibliche als männliche Erstgenannte gibt (siehe Topkinofilme 2012, da ist das Verhältnis 1:0,9), herrscht in der Gruppe der Hauptrollen ein Männerübergewicht. Wie immer.

Noch ein paar Worte zum Fernsehen. Die Grimmepreisnominierungen sind die männerlastigste Filmgruppe (Verhältnis 1:2) und die einzige, in der es weniger weibliche Neben- als Hauptrollen gibt. Wie im Vorjahr gibt es hier mehr als doppelt so viele erstgenannte Männerrollen. Dass es bei den Grimmepreisfilmen weniger Rollen sind liegt daran, dass nur 17 Filme in den Nominierungen auftauchten, das sind 3 Filme weniger als in den anderen 3 Gruppen.

Bei den TV-Filmen mit größter Einschaltquote – nur Krimis, 1 POLIZEIRUF und 19 TATORTE – steht 17 von 20 Mal ein Mann an erster Stelle. Auf den Besetzungslisten von Krimis wird die Stammbesetzung, die Ermittlungsteams, generell zuerst genannt. Es gibt eine Reihe männlicher Teams (z.B. München, Köln, Hamburg) aber auch bei gemischten Teams ist häufiger ein Mann die Nummer 1 (Kiel, Dortmund, Norddeutschland, Wien, Saarbrücken, Frankfurt). Die Tatorte mit erstgenannten Ermittlerinnen waren Konstanz (2 x) und Bremen. Zum Vergleich: 2012 gab es 6 Tatorte (unter den Top 17) mit erstgenannten Ermittlerinnen: Hannover (2 x), Leipzig (2 x), Konstanz und Bremen. Interessant übrigens: fast alle neuen Ermittlungsteams der letzten 2 Jahre hatten einen Kommissar an erster Stelle. Und ja, die Reihenfolge hat eine Bedeutung: Til Schweiger spielt in Hamburg die größere Rolle als Fahri Yardim, und Devid Striesows Figur ist in den Saarbrücker Fällen bedeutsamer als seine Kollegin (gespielt von Elisabeth Brück). Will das Publikum das so haben? Ich glaube nicht, wie u.a. der Erfolg der Hannoveraner Tatorte (1 Ermittlerin) im Jahr 2012 zeigte (für 2013 wurden keine mit Maria Furtwängler produziert). Ist es also eine ARD-Richtlinie? Oder die Politik der Redaktionen? Wer weiß. Dazu wäre es auch einmal interessant herauszufinden, wie die Budgets der einzelnen Tatorte aussehen, aber das sind Themen für einen anderen Tag.

Zwei Abbildungen zeigen die konkreten Rollenverhältnisse in den 4 Filmkategorien, sowohl für 2013 (in fetter Farbe, blau bzw. curry) als auch fürs Vorjahr (gestreift).
Wenn der Wert 1 ist bedeutet das ,gleich viele Frauen- und Männerrollen’, 1:1 eben. Ein Wert größer als 1 zeigt das Ausmäß der Männerrollenlastigkeit an. Im Schnitt sind es grob 1 ½ mal so viele Männer- wie Frauenrollen, d.h. 3 von 5 Rollen sind männlich. Drastischer ist dies bei den Grimmepreisfilmen in der Gesamtheit aller Rollen (1:2), d.h. 2 von 3 Rollen sind männlich. Was heißt das? Dass Fernsehfilme mit einem Übergewicht an weiblichen Hauptrollen gar nicht erst produziert werden? Oder wenn, dann eher als Herz-Schmerz-Geschichten, die nicht nominierungswürdig sind? Ich weiß es nicht. Ebensowenig, wie das diesbezüglich bei den Kinofilmen aussieht. Etwas Aufschluss kann sicherlich eine gegenderte Auswertung der Filmförderungen bringen, auch ein Thema, das hier noch aussteht.
Die letzte Abbildung schließlich korreliert die Rollenverhältnisse für Kino und Fernsehen mit den Regisseurinnen bzw. Regisseuren. Hier habe ich die beiden Kino- bzw. Fernsehgruppen zusammengefasst und Doppelnennungen weggelassen. Z.B. tauchen FACK JU GÖHTE (Regie Bora Dagtekin) und FEUCHTGEBIETE (Regie David Wnendt) sowohl bei den Kinokassenerfolgen als auch den Dt. Filmpreisnominierungen auf, und der Wien-Tatort ANGEZÄHLT (Regie Sabine Derflinger) war Platz 12 der TV-Quoten und grimmepreisnominiert.

In beiden Gruppen sind es zu wenig Regisseurinnen – 6 im Kino und 3 im TV, um daraus wirkliche Schlüsse zu ziehen. Also nur beschreibend gesagt: egal ob Regisseur oder Regisseurin, es überwiegen die Männerrollen. Den höchsten Wert (1:2,2) erreichen die drei Fernsehregisseurinnen mit ihren Filmen, dem genannten Tatort und EINE HAND WÄSCHT DIE ANDERE (Regie Hermine Huntgeburth) und GRENZGANG (Regie Brigitte Maria Bertele). Gerade das Verhältnis bei den Nebenrollen (1:3,2!) ist beachtlich, d.h. mehr als 3 von 4 Rollen sind männlich.
Ich habe alle drei Filme nicht gesehen, und so verstehe ich nicht, warum eine Komödie über einen Steuerprüfer in der Provinz oder ein Beziehungsdrama in einer hessischer Kleinstadt so männerlastig erzählt werden (Nebenrollen jeweils 1:6!). Bei den Kinofilmen fällt das positive Rollenverhältnis auf, bei den Gesamt-, den Haupt- und den Erstgenannten Rollen. Das liegt an dem Film HANNI UND NANNI 3 (Regie Dagmar Seume), der 5 weibliche (und keine männlichen) Hauptrollen hat. (Über die Häufung minderjähriger weiblicher Hauptrollen unter den Top 100 Kinofilmen habe ich an anderer Stelle geschrieben: Kein Jahr für Regisseurinnen). FINSTERWORLD (Regie Frauke Finsterwalder) hat ein Hauptrollenverhältnis von 3:2, die übrigen vier Filme haben einen ausgeglichenen Hauptcast. Zwei der 6 Filme von Regisseurinnen tauchen übrigens sowohl bei den Top Kinofilmen als auch bei den Filmpreisnominierungen auf: OSTWIND (Regie Katja von Garnier) und 3096 TAGE (Regie Sherry Hormann).

 Fazit:

Nach wie vor werden zu wenig Filme über und mit Frauenfiguren gedreht. Besonders bei Nebenrollen muss die Männerrollenlastigkeit überdacht werden. Sind diese tatsächlich notwendig für die Geschichte, oder ist es einfach Gewohnheit oder Nachlässigkeit? Der deutlichere Mangel an Frauenrollen in preisnominierten Filmen gegenüber Publikumserfolgen sollte Thema in den Fördereinrichtungen und öffentlich-rechtlichen Redaktionen werden.

English Version

Give me Art, Give me Money 2013: In Front of the Camera

Today’s topic will be film casts, i.e. the women and men in front of the camera in commercially successful and in prize nominated German film and television productions. For this I investigated (like in 2012) four groups of films from the year 2013: the 20 top grossing films, the 20 nominated films for all categories of the German film awards, the 20 top view TV films and the 17 films nominated for the German TV awards, that is a total of 97 films. The titles of the films can be found in this article:  Comparing 4 Groups of Films from 2013

Task:

I investigated the shares of women and men for the cast as well as separately for the leading roles, the supporting roles and the first roles on the cast sheet. Also I determined the role ratio (i.d. the ratio female to male roles, 1 to x) for each of the four groups, comparing the findings with those for 2012, and finally I determined the role ratios for all cinema and for all TV films in relationship to the gender of the director.

Data base:

As always the data is not complete. I have to draw from pulically available information, so in this case the lists for the casts, which are unfortunately incomplete. For nearly all films I took the data from the crew united database, which distinguishes between leading and supporting roles. But their material is not complete. Often production companies will only fill in the crews, and not even all of the members, and maybe the main cast. For the rest they expect actors and actresses to fill in their details themselves. This is the case also for IMDB. And on the official websites for the films – if they exist – the casts are usually also incomplete, seldom you find more than 10 roles in all. And finally the distinction between leading and supporting part is not always along the same rules, as a comparison of different films will show.

Results:

You can go directly to the end of this text, read the Conclusions and look at the seven figures depicting the results in the photo gallery. Or you can first read my additional remarks.

Each of the four investigated film groups and each category had more male than females roles. Once again!
The share of women for the leading roles is more or less 40 %, so the differences in the shares for the whole cast can be found in the supporting roles.
There is a smaller difference among the cinema films as compared to 2012. There the film award nominations had had casts with twice as many actors than actresses, and for the top grossing films the ratio was 1:1,4 – and this time for 2013 both groups are closer, with once again the award nominated films being more biased towards male roles. The gender of the first role on the cast sheets does not seem to indicate the gender balance for all leading roles. Even if there is a majority of female firsts in a group (as was the case for the top grossing films in 2012, with a ratio of 1:0,9) there will be a male majority in the leading roles group. As always.

A few words on television. The TV award nomitations have the most male dominated casts (ratio 1:2) and the only one where there are less female supporting than leading roles.As in 2012 there are more than twice as many male over female first roles. By the way, there were only 17 films in this group, therefore there are less roles overall as compared to the three other groups with 20 films each.

Looking at the top view TV films we see crime and cop stories (1 POLIZEIRUF and 19 TATORTE). The casts have many regulars, the police inspectors’ teams, that always head the cast lists. Teams in German TV usually means 2 policepeople. There are a number of male only teams, and some mixed, which usually also have one lead, which tends to be the male. No two-women-team yet! And the new teams of the last two years (TATORTE are created separately for a number of German towns) have in the vast majority been also male-led. Why is this so? Because that is what the authors or networks prefer? I don’t know. To please the audience? I don’t think so. The only on with no men (the Hannover TATORT with Maria Furtwängler, not a team, she is on her own) is always very popular. Two episodes from Hannover were in the top 17 of 2012. For 2013 none were produced.

Two figures show the roles‘ gender ratios for all 4 film categories for 2013 (in clear colours, blue and curry) and for 2012 (stripy). A value of 1 is an indicator for equal number of female and male roles, simply 1:1. A number greater 1 shows the extent of male role predominance. As a rough mean we can say that there are 1,5 times more male over female roles , so 3 in 5 roles are male. For the TV award films the ratio is even higher, there 2 in 3 roles are male. So, what does that tell us? That not so many TV films with female leads are produced? And if they are, they will be love stories which are generally not prone to be award nominated? I don’t know. Also it would be worthwhile to look into film funding in greater detail, but that is a topic for another day.
The last figure aims at a correlation between role gender distribution and gender of directors. Here I have combined the categories so there is only one film group and one television group. I left out the films that were in each group, e.g. FACK JU GÖHTE (director Bora Dagtekin) and FEUCHTGEBIETE (director David Wnendt) for the films and the Vienna TATORT: ANGEZÄHLT (director Sabine Derflinger) that was number 12 in the TV rankings and also nominated for the TV awards.

In both groups there are only very few female directors – 6 for films and 3 for TV – so I cannot really draw any real conclusions. But just to describe the findings: it does not matter whether the director is female or male, the male roles always dominate. The highest value (1:2,2) is found for the three female TV directors with their films EINE HAND WÄSCHT DIE ANDERE (director Hermine Huntgeburth), GRENZGANG (director Brigitte Maria Bertele) and the already mentioned TATORT. Note the ratio for the supporting parts (1:3!) which is very high. 3 in 4 parts are male.
Unfortunately I did not see any of these three films, so I am unable to understand why a comedy about a tax inspector in the woods or a relationship drama in a small town in Hessen have to be told with such a male majority (supporting roles 1:6 each!). The films for the big screen show a positiv ratio, for the overall casts, the leads and the first roles. This is caused by the film HANNI UND NANNI 3 (director Dagmar Seume based on Enid Blyton“s ST. CLAIR’S), that has 5 female and no male leads. (In another article I already wrote on the accumulation of female teenage leads among the 100 top grossing films: A bad year for female directors). FINSTERWORLD (director Frauke Finsterwalder) has a ratio of 3:2 for the leads, the other four films have a balanced leading casts. Two of the 6 films by female directors are among the top grossing as well as the film award nominations: OSTWIND (director Katja von Garnier) und 3096 TAGE (English title: 3096. Director Sherry Hormann).

Conclusions:

Still far too few films with or without female characters are being produced. A special focus needs to be pointed at the dominance of male supporting roles. Are they really neccessary to that extent or is this just a bad habbit or carelessness? The striking lack of female roles in awards nominated films (as opposed to box office / TV success films) should be a topic for funding corporations and public broadcasting producers.