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Gedanken einer Schauspielerin

Südasien und wir

Südasien und wir – Brown People Matter

Heute geht es um die Medienberichterstattung über die Überschwemmungen in den USA und Südasien, den Film MONSOON BABY, Fake News und zwei künstlerische Projekte in der Crowdfundingphase.

Überschwemmungen

2.9.17
Es ist Samstag früh, ich schalte das Radio ein, und lande bei einem längeren Bericht über Texas / USA, die Folgen des Harvey genannten tropischen Wirbelsturms, Überschwemmungen, zerstörte Häuser, fast 60 Tote, evakuierte Menschen, Einzelschicksale im O-Ton.
Zur vollen Stunde in den Nachrichten wieder Texas, und 20 Minuten später der nächste Bericht, diesmal mit der Meldung, dass der US-amerikanische Präsident Donald Trump erneut in das Krisengebiet reisen wird.
Die Medien haben schon über die Katastrophe berichtet, bevor der Wirbelsturm Texas erreichte und die Berichterstattung ging und geht weiter, Tag für Tag.
Es hat deutlich länger gedauert, bis auch über die – verheerenderen – Überschwemmungen in Südasien berichtet wird. In Indien, aber auch in Bangladesch, Nepal und Pakistan hat der diesjährige Monsun* zu großen Überschwemmungen geführt, zu mehr als 1.500 Toten in den letzten drei Wochen (verschiedene Quellen sprechen von 1.300 bis 2.100 Toten), zu ruinierten Ernten, drohendem Hunger und Krankheiten.
Aber die Berichte sind spärlich, die täglichen ausführlichen Hintergrundsberichte oder gar Spendenaufrufe, bspw. in den öffentlich-rechtlichen Nachrichtensendungen, fehlen.

*Mit Monsun werden großräumige Luftströmungen bezeichnet, „die durch jahreszeitliche Windrichtungsänderungen von mindestens 120° gekennzeichnet sind“ (vgl. Lexikon der Geographie / Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH). Die südasiatische Monsunzeit von Juni bis September fordert jedes Jahr sehr viele Opfer.

Es ist klar, dass ich nicht die Not der Menschen in Texas runterspielen möchte. Aber gerade bei den Zahlen der gestorbenen Menschen dort und da stockt mir der Atem. Aus Texas bekamen wir quasi täglich die Updates, 30, 32, 35, 41, 47, 50, 55, 57 Tote; die Zahlen für Südasien sind geschätzt, gerundet. Nicht auf 30, 40, 50 oder 100 Personen, sondern auf über eintausend; vielleicht 1.500 oder 1.700 Menschen, die ertranken, von Erdrutschen verschüttet oder von Stromschlägen getötet wurden. 45 Millionen Menschen, darunter 16 Millionen Kinder, sind direkt von der Katastrophe betroffen.

Füllt die Lücken!

Ich höre immer wieder „Ja, aber die USA stehen uns näher!“ – das mag schon sein. Wenn ich beispielsweise mein Netzwerk auf Twitter nehme, die internationalen Filmbranchenkontakte oder die Netzwerke meiner Kontakte, dann ist klar, dass in meiner Timeline mehr – wichtige und auch völlig banale – Meldungen zu den USA auftauchen als zu den meisten anderen Ländern und Regionen. Auch das Abonnieren von ,seriösen Medien‘ u.a.m. führt leider nicht zu einer wirklichen Globalisierung der mir zur Verfügung stehenden Informationen, ebenso wenig wie das regelmäßige Einschalten von öffentlich-rechtlichen Radio- und Fernsehprogrammen. Ich brauche aber gerade die anderen Nachrichten. Ist das nicht auch Aufgabe der ÖR-Programme?

Ich möchte nicht ständig ausführlich erfahren, wann und ob und wie US-Präsident Trump Texas besucht und ob er sich mit Opfern gemeinsam fotografieren lässt wie seine Amtsvorgänger oder nicht – solange ich nicht einmal weiß (und das deshalb, weil es nie erwähnt wird), wer die Regierungschefs von Indien, Pakistan, Bangladesch und Nepal sind. Ich weiß mehr über die Schuhe von Melania Trump beim letzten Texasbesuch als über deutsche Hilfsorganisationen, die sich in Südasien engagieren und die Spenden sammeln. Unsere Medien berichten über den Rassismus von Weißen gegenüber Schwarzen in den USA– und schweigen über das Leben und Sterben von Braunen, über Südasien.

Mich beschäftigen weniger die Fake News, die Falschnachrichten (die gab es schon immer, hießen die früher nicht auch mal Zeitungsenten?), sondern die ignorierten Themen.
Ich habe eine Bekannte (sie ist über 80), die das Internet nicht nutzt und ihre Informationen aus Fernsehnachrichtensendungen in den öffentlich-rechtlichen Sendern und BBC, Teletext und unregelmäßig aus Zeitungen wie FAZ und ZEIT bezieht. Ich hatte gedacht, dass die meisten völlig irrelevanten Informationen nur über das Internet (oder yellow press) verbreitet werden. Nein, stimmt nicht, auch meine Bekannte wusste von Melania Trumps Texasbesuch-Schuhen. Obwohl sie sich überhaupt nicht für Sport interessiert ist sie zwangsläufig über alle möglichen Ereignisse beispielsweise im Männerfußball informiert, über teure Transfers, Trainerwechsel, Spiele und mehr. Und das ohne Sportsendungen zu sehen. Dass gestern die Bundesligasaison der Frauen begann hat sie nicht mitbekommen. Woher auch? Darüber wird weiter nicht berichtet.

Ich finde Fake News nicht das Problem. Sondern die Gewichtung bei ausgewählten bzw. ausgelassenen Meldungen.

Information

In dem britischen Zeitungsartikel South Asia flooding: How you can help the millions of victims von Will Worley (The Independent 30.8.) wurde empfohlen „Schreibt Euren Abgeordneten oder spendet an Hilfsorganisationen. Schreibt Euren Abgeordneten und fordert sie auf, das Thema ins Parlament zu bringen, wenn es wieder zusammen kommt. Bittet sie, sich dafür einzusetzen, dass sich das Vereinigte Königreich zur Finanzierung von Hilfsmaßnahmen verpflichtet.“
Das ist etwas, das wir in Deutschland auch tun können. Vielleicht direkt heute Abend – es ist mittlerweile der 3.9., anstatt das sogenannte TV Duell zu sehen (zwischen zwei Menschen, deren Parteien seit Jahren gemeinsam die Große Koalition bilden und die Politik unseres Landes bestimmen). Hierüber findet Ihre Eure Abgeordneten und hierüber Eure Kandidat/innen.
Den zweiten Rat aus dem Independent-Artikel (spendet an Hilfsorganisationen),
bei dem Unicef und Oxfam genannt werden, kann ich für Deutschland noch um den ADH Aktion Deutschland Hilft e.V.  Bündnis deutscher Hilfsorganisationen für Katastrophenhilfe ergänzen.

Und hier zumindest noch die Regierungschef/innen der vier betroffenen Staaten:

  • Indien: Herr Narendra Modi, Premierminister seit 26.5.14. Bharatiya Janata Party.
  • Pakistan: Herr Shahid Khaqan Abbasi, Premierminister seit 1.8.17. Pakistan Muslim League.
  • Bangladesch: Frau Hasina Wajed, Premierministerin seit 6.1.9. Bangladesh Awami League.
  • Nepal: Herr Pushpa Kamal Dahal, Premierminister seit 3.8.16, Kommunistische Partei Nepals.

Ein besonderer Film

1.9.
Freitag Abend. Eben habe ich in der ARD-Mediathek den Film MONSOON BABY (2014) von Andreas Kleinert gesehen (Buch Florian Hanig, Sandra Nettelbeck, Andreas Kleinert), den ich bisher leider verpasst hatte. 
Der am 17.9.14 in der ARD erstmals ausgestrahlte und 2015 für den Dt. Grimmepreis in der Sparte Fiktion nominierte Film ist eine Koproduktion von Roxy Film und dem Bayrischen Rundfunk BR. Er ist noch bis zum 22. November in der Mediathek abrufbar.

Nina und Mark wünschen sich ein Baby, doch Nina wird nicht schwanger. Eine Adoption kommt für beide nicht infrage, sie wünschen sich ein eigenes Kind. Und so entscheiden sie sich für eine Leihmutterschaft – in Indien. Euphorisch reisen Nina und Mark in das ihnen fremde Land. Alles scheint zunächst perfekt, die Ärztin Kamalika wirkt kompetent und in der jungen Shanti finden sie schnell die passende Leihmutter für ihr Wunschbaby. Aber die neun Monate bis zur Geburt sind eine lange Zeit, die auch Nina und Mark nicht unberührt lässt. Sie beginnen, sich die Frage zu stellen, ob die Entscheidung richtig war …
Die BR-Koproduktion „Monsoon Baby“ wurde in Kalkutta (Indien) und München gedreht.
(Quelle Bayrischer Rundfunk)

Die Inhaltsangabe auf der Seite von Roxy Film ist nicht ganz zutreffend (Link), vielleicht bezieht sie sich auf eine frühere Drehbuchfassung.

Aber um den Inhalt soll es hier nur am Rande gehen. Ich habe die Besetzungsliste des Films in einigen Datenbanken nachgeschlagen, und da ist mir etwas Unangenehmes aufgefallen. Die beiden Inderinnen unter den Hauptrollen (die Leihmutter und die Ärztin in der Fruchtbarkeitsklinik) werden nicht in allen Auflistungen erwähnt. Und wenn, dann an einer hinteren Position. Ist das niemandem aufgefallen? Hat es niemanden gestört?
Im deutschsprachigen
Wikipediaartikel wird die indische Leihmutter Shanti (Nachname unbekannt) mehrfach genannt, aber im Kurzcast taucht sie nicht auf. Ebensowenig eine weitere Hauptrolle, die indische Ärztin Kamalika (Nachname unbekannt):

Screenshot Wikipediaeintrag. Unterstreichungen von mir.

Shanti wird von der indischen Schauspielerin Tillotama Shome gespielt, die Ihr vielleicht als Alice aus dem Film MONSOON WEDDING kennt (Regie Mira Nair), und die mir freundlicherweise dieses Bild zur Verfügung stellte:

Tillotama Shome. Foto: Ishaan Nair

Tillotama Shome. Foto: Ishaan Nair.

Die Leihmutter Shanti ist eine sehr wichtige Figur, von Tillotama ausdrucksstark und beeindruckend gespielt, auch ohne Deutsch oder Englisch – im Gegensatz zur Ärztin Kamalika (Swaroopa Gosh), die laut Drehbuch einige Jahre in Heidelberg verbracht hatte und Deutsch und Englisch sprach. Beide sind wie Mark (Robert Kuchenbuch) Hauptrollen, im Zentrum der Geschichte steht indes Nina, gespielt von Julia Jentsch, die auch die meisten Szenen hat. Dies entspricht Rollen-Darsteller/innen-Reihenfolge im Abspann des Films.
Nur wie erwähnt, in einigen der Datenbanken tauchen Shanti und Kamalika überhaupt nicht auf, oder erst ganz weit unten, wie die folgende Tabelle zeigt. Als Referenzreihenfolge nehme ich den Filmabspann:

MONSOON BABY: Reihenfolge der Rollen in Datenbanken. Die Rollen bei IMDB sind alphabetisch, die Rollen 1-3 bei crew united sind als Hauptrollen gelistet.

Bei Crew United sind drei Rollen als Hauptrollen gekennzeichnet: Nina, Mark und Dora, eine Arbeitskollegin von Nina, die in zwei Szenen vorkommt, einer Sprechszene. Alle Nebenrollen, inklusive der zwei kleiner Kinder – Loretta und Lucas – stehen weit vor Shanti / Tillotama Shome (die im Filmabspann Tilotama Shome geschrieben wird). Auch beim BR steht sie nach  Kamalika / Swaroopa Gosh am Ende. Bei Filmportal (und auf Wikipedia) kommen beide gar nicht vor, auch nicht bei Roxy Film, wo nur Nina und Mark genannt werden. Die IMDB Datenbank führt die gesamte Besetzung alphabetisch (Nachnamen der  Schauspieler/innen) auf, so dass in der Kurzfassung die Darsteller/innen von drei kleineren Nebenrollen (Shantis Ehemann und zwei Kinder unter 12 J.) erscheinen:

WARUM? Und ist das wirklich noch niemandem aufgefallen?
Wer übernimmt (nicht) von wem, wieso unterscheidet sich die Liste des BR so sehr von dem Filmabspann?

Es ist in gewisser Weise ironisch, wenn in einer der letzten Szenen des Films Nina und Mark zum Konsulat in Kalkutta gehen um einen Pass für ihr Kind zu beantragen, und der Beamte sagt „Ich wette, Sie kennen noch nicht einmal den Namen der Leihmutter!“. (Nina antwortet „Shanti“. Sie kennt den Vornamen, immerhin).
Ich werde die Datenbanken usw. anschreiben und hoffe auf Verbesserung.

Aktualisierung 13.9.

Herzlichen Dank an Crew United und Filmportal, die wirklich sehr freundlich auf mein Anliegen reagierten und ihre Besetzungsangaben zu MONSOON BABY korrigiert und die indischen Ko-Hauptrollen Shanti (Tillotama Shome) und Kamalika (Swaroopa Gosh) auf die Plätze 3 und 4 gesetzt haben.
Datenbanken können nur so gut sein wie die Informationen, die den Macher/innen vorliegen. Eine Mitarbeiterin von Crew United berichtete, dass die Casts i.d.R. aus Pressemeldungen kommen und  durch Mitwirkende an der Produktion ergänzt werden. Ein Mitarbeiter vom Filmportal sagte, dass sie verschiedene Quellen wie z.B. Pressemitteilungen und Produktionswebseiten nutzen, und Eigeneinträge nicht möglich sind.
In der IMDB-Datenbank konnte ich die Rollen analog zum Filmabspann selber anordnen. In der Kurzfassung erscheinen nun Julia Jentsch, Robert Kuchenbuch und Tillotama Shome als die drei Hauptrollen.

Falls jemand auf Wikipedia aktiv ist bitte melden, dort fehlen auch noch die indischen Hauptrollen. Merci!
Update 25.9.: Auch das ist mittlerweile geschehen, herzlichen Dank, wer auch immer das war. (in die Galerie oberhalb eingefügt)

Tanztheater und Dokumentarfilm

Ich möchte den heutigen Artikel mit dem Hinweis auf zwei Projekte abschließen, die sich gerade noch in der Crowdfunding-/Finanzierungsphase befinden, die von indischen Künstlerinnen stammen und wichtige Themen behandeln.

SHYAMALI: GREEN GRASS, WOMEN & DISSENT

Meine langjährige Freundin Ananya Chatterjea, Tänzerin, Choreographin und Dozentin, ursprünglich aus Mumbai und seit Jahren in den USA, plant mit ihrem Ananya Dance Theatre die diesjährige Produktion:

SHYAMALI ist ein abendfüllender Tanz, der von dem Mut von Frauen auf der ganzen Welt inspiriert ist. Das Wort shyamali heißt dunkelgrün auf Bengalisch, und beruft sich auf die Widerstadskraft von Gras, das sich wieder aufrichtet, nachdem es plattgetreten wurde.
Diese Crowdfundingkampagne unterstützt SHYAMALI, unsere 2017 Produktion, die erforschen möchte, wie Dissens Lebenskraft und Wachstum befeuert, und die den Mut von Frauen anerkennt, die den Mund aufmachen und widersprechen, um ihre Gemeinschaft vor Ungerechtigkeit zu schützen, und die Frauen würdigt, die sich nicht brechen lassen.

Auf dieser Seite erfahrt Ihr mehr über das Projekt und könnt es finanziell unterstützen. Und hier findet Ihr Ananya auf Twitter.

https://vimeo.com/225430350

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BUT WHAT WAS SHE WEARING?

Vaishnavi Sundar, Regisseurin und Produzentin, habe ich über Twitter kennengelernt. Sie ist Gründerin von Women Making Films India. Aktuell plant sie einen Dokumentarfilm über das Thema sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz in Indien. Ausführende Produzentin ist Hannah Latimer Snell, den Schnitt wird Lisa Friedhofen übernehmen.

Unser Dokumentarfilm will die Arten von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz untersuchen indem wir sowohl mit den Gesetzgeber/innen als auch den Menschen, für die diese Gesetze gemacht werden, sprechen. Was ist ein Arbeitsplatz? Was passiert, wenn der Belästiger Dein Arbeitgeber ist? Was sind die Maßnahmen und Rechte von Frauen, und wie reagieren die Gremien? Der Film möchte die Absicht der Maßnahmen und die Realität gegenüberstellen und außerdem über Verbrechen sprechen, die bislang nicht angezeigt und / oder bestraft wurden.

Auf dieser Seite erfahrt Ihr mehr über das Projekt und könnt es finanziell unterstützen. Es hat ein sogenannten „Flexibles Fundingziel“, d.h. das Projekt darf alles Geld behalten das zusammen kommt, auch wenn die Gesamtsumme (11.480 Dollar) nicht erreicht wird. Das Kampagnenende ist schon ziemlich bald, wer darüber hinaus das Projekt unterstützen will setzt sich am besten direkt mit Vaishna über die indiegogoseite in Verbindung. Und hier findet Ihr Vaishnavi auf Twitter.

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