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Gedanken einer Schauspielerin

Im besten Alters für’s deutsche Fernsehen

Im besten Alters für’s deutsche Fernsehen

Letzten Monat hab ich je zwei Gruppen von deutschen Film- und Fernsehfilmen 2012 in Hinblick auf die Mitwirkung von Frauen hinter der Kamera und Frauen vor der Kamera analysiert. Obwohl in Deutschland ungefähr gleichviel Frauen wie Männer leben – Dezember 2011 waren es 41,64 Mio. Frauen und 40,21 Mio. Männer – erzählten die Filme eher Geschichten von Männern, ein zahlenmäßige Übergewicht männlicher Haupt- und Nebenrollen war in allen untersuchten Gruppen deutlich erkennbar. Bei den Fernsehfilmen (Beste Quote und Grimmepreisnominierungen) lag das Gesamtrollenverhältnis bei 1:1,7 bzw. 1:1,8.

Im besten Alter für’s deutsche Fernsehen

Heute geht es im nächsten Schritt um die Altersverteilung der besetzten Schauspielenden. Die ausgewerteten Besetzungslisten entstammen der Datenbank von crew united, dort sind Sprechrollen unterteilt in Haupt-, Neben- und Tagesrollen. Insgesamt sind für die 34 TV-Produktionen 190 Schauspielerinnen und 341 Schauspieler aufgeführt Ja, ein absolutes Männerübergewicht. Das fällt beim Fernsehen gucken nicht so auf? Mag sein. Das ist eben so? Nein! Das öffentlich-rechtliche Fernsehen – und die untersuchten Filme sind allesamt Produktionen vom ÖR – hat nicht den Auftrag, Männerfilme zu produzieren mit Frauen in den Nebenrollen. Damit das keine Missverständnisse gibt: dies ist kein Plädoyer gegen männerzentrierte Geschichten. Volker Schlöndorffs „Das Meer am Morgen“ beispielsweise ist ein sehr guter, berührender Film, der zudem auf einer historischen Begebenheit beruht, die nun einmal einer Gruppe von Männern widerfahren ist, Nur wenn es immer wieder so ist, dass in jeder untersuchten Gruppe von Filmen Frauenrollen in der deutlichen Minderheit sind, dann läuft etwas falsch.

Abbildung 1 zeigt die Besetzung von 34 Filmen in 10-Jahres-Altersgruppen: die 17 Filme mit der höchsten Quote 2012 (16 Tatorte, eine Stubbe-Folge) und die 17 Nomierungen für den Grimmepreis in allen Kategorien.

34_TV_Alter

Bei den Männerrollen bzw. den Schauspielern, die diese verkörpern, liegt das „beste Alter“ zwischen 40 und 50, 33 % aller Rollen sind in dieser Gruppe. 80 % aller Männerrollen liegen zwischen 30 und 60 Jahren. Bei den Schauspielerinnen liegt der größte Wert38% – in der Gruppe der 30 bis 40-Jährigen,  und die drei Klassen, die den Großteil der Rollen abdeckt, nämlich 74 %, sind die von 20 bis 50 Jahren. Über 50 Jahre alt waren bei den besetzten Schauspielern 29 %, und bei den Schauspielerinnen 19 %. Der Anteil unter 30 Jahren war bei den Frauen 22 % und bei den Männern 11 %.

Dieses Ungleichgewicht entspricht nicht wirklich der Altersverteilung in unserer Gesellschaft, da klaffen die Zahlen der Frauen und der Männer nicht so weit auseinander und es gibt auch kein deutliches Abknicken der Kurven im Alter. (siehe auch: von Schauspielerinnen und anderen berufstätigen Frauen).

Als Verallgemeinerung aus diesen Zahlen lässt sich sagen: Wir sehen erheblich mehr Männer als Frauen in deutschen Fernsehproduktionen. Und wir sehen deutlich jüngere Frauen als Männer. Da das vermutlich schon länger so ist kann angenommen werden, dass es dem Publikum gar nicht (mehr) auffällt, bzw. diese Gegebenheit als Normalfall abgespeichert ist. Eben aufgrund dieser Sehgewohnheit, oder vielmehr Sendegewohnheit. 

In Abbildung 1 waren Krimis und Fernsehfilme zusammengefasst, es macht aber schon Sinn, diese zu trennen, denn Krimis sind nun mal von der Sache her Männergenres (die Mehrheit an Gewaltverbrechen in Deutschland werden von Männern begangen, es gibt mehr Kriminalkommissare als –kommissarinnen usw. usf.).  Deshalb nun noch einmal getrennt die Altersverteilung in den beiden 17-Filme-Gruppen, runtergerechnet auf 5-Jahres-Altersklassen der Schauspielenden. Betrachtet habe ich sowohl die Gesamtbesetzungen als auch nur die Hauptrollen.

Abbildung 2 – die Top 17 der ermittelten Einschaltquoten (Tatorte und 1 weiterer Krimi) peaken bei den Männern in der 45-50 Jahre Altersklasse (37 Schauspieler), 77 % aller Schauspieler sind zwischen 30 und 55 Jahren alt. Die höchste Altersklasse bei den Schauspielerinnen sind die 35 bis 40-Jährigen (17 Schauspielerinnen), zwei Drittel (67 %) sind zwischen 25 und 50 Jahren alt. Rollen für über 50-Jährige gab es für 20 Schauspielerinnen (= 21 %)  und 51 Schauspieler (= 31 %). Das Rollenverhältnis von 1:2,5 für die über 50-Jährigen lässt sich leicht errechnen.

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Abbildung 3 zeigt die Verteilung bei den Grimmepreis-Filmen. Hier sieht das Diagramm etwas anders aus, die Werte der Schauspielerinnen sind nicht so auf-und-ab wie bei den Quotenfilmen, sondern es gibt einen Rollenanstieg bis zur 30-35 Jahre-Gruppe (23 Schauspielerinnen, das sind 24 %), und danach geht es stetig bergab. Zwei Drittel (66 %) aller Schauspielerinnen waren zwischen 25 und 45 Jahren alt. Bei den Schauspielern liegt die Spitze bei den 35-40-Jährigen (26 Schauspieler), allerdings dicht gefolgt von jeweils 24 Schauspielern in den nächsten beiden Altersklassen, den 40-45 und den 45-50-Jährigen. Zwei Drittel (67 %) aller Schauspieler waren zwischen 30 und 55 Jahren alt.

Rollen für über 50-Jährige gab es für 16 Schauspielerinnen (17 %) und 47 Schauspieler (29 %), das ist ein Verhältnis von 1:3 (eins zu drei)!


Grimme_Alter5

Das sind jetzt eine Menge Zahlen. Um das Wichtigste nochmals zusammenzufassen: Für Schauspieler gab es mehr Rollen, und auch noch im höheren Alter als für Schauspielerinnen. Bei den Top Quote (Tatort)-Filmen gab es 2,5 x so viele Männerrollen über 50 wie Frauenrollen, bei den Grimmepreisfilmen sogar 3 x so viele. Die Frauenrollenin den Fernsehfilmen (Grimme) sind noch mal jünger als in den Krimis. Dies zeigt der Vergleich der Zwei Drittel-Werte: Bei den Top Quoten-Filmen waren 67 % der Schauspielerinnen zwischen 25 und 50 Jahren alt, bei den Grimmepreis-Filmen waren 66 % zwischen 25 und 45 Jahren alt. Noch mal wieder 5 Jahre vom Alter runter. Die Zweidrittelwerte bei den Männern waren relativ gleich:

Und zum Schluss noch eine Betrachtung der Altersverteilung der Hauptrollen (Abbildung 4 und Abbildung 5).

TopTV_Alter_HR     Grimme_Alter_HR

Top Quote: Die Spitzengruppe weiblicher Hauptrollen liegt in der Gruppe der 45-50-Jährigen (7 Schauspielerinnen), und somit deutlich höher als der alle-Frauenrollen-Peak (35-40-Jährige). mit jeweils 5 Schauspielerinnen, bei den 30-35 und den 40-45-Jährigen. (Spitzenklasse aller Rollen bBei den Grimmepreis-Filmen gibt es zwei Spitzen ei den Grimmpreis-Filmen (30-35-Jährige).

Bei den Männern gibt es einen deutlichen Hauptrollenpeak in der Gruppe der 35-40-Jährigen (Grimmepreisfilme, 9 Schauspieler) und in der Gruppe der 50-55-Jährigen (Top Quote, 10 Schauspieler). Die TV-Kommissare und -Mörder werden älter?

Einen besonders schlechten Wert ergibt der Gesamthauptrollenvergleich bei den Grimmepreisfilmen: Es gibt fast 3 x so viele männliche wie weibliche Hauptrollen! Und das sind jetzt eben nicht die Krimis. Was ist der Grund? Hier wird das öffentlich-rechtliche ein bisschen zum öffentlich-männlichen Fernsehen.

Das sind natürlich nur Momentaufnahmen aus dem Jahr 2012. Und 34 von (wieviel eigentlich?) Neuproduktionen sind nur ein kleiner Teil. Aber das sind Filme, die ein großes Publikum hatten und haben, im Falle der Tatorte beispielsweise können wir davon ausgehen, dass sie die nächsten 10 – 20 Jahre regelmäßig in allen regionalen und sonstigen öffentlich-rechtlichen Sendern wiederholt werden. Die Grimmepreis-Filme werden teilweise auch wiederholt, zum Glück! Denn es waren natürlich sehr gute Filme dabei.

Ein Fernsehprogramm, in dem Frauen und besonders ältere Frauen eine Randerscheinung sind, in dem ihre Geschichten nicht erzählt werden, sollte es wirklich nicht länger geben, weder im öffentlich-rechtlichen noch im Privatfernsehen. Letzteres werde ich auch einmal untersuchen. Aber das ist ein anderes Thema.