SchspIN

Gedanken einer Schauspielerin

Die Geduld der Frauen…

Die Geduld der Frauen ist die Macht der Männer

Am Mittwoch Abend fand im Grünen Salon der Volksbühne Berlin eine Podiumsdiskussion zum Thema „Wer spielt im deutschen Fernsehen eine Rolle? Frauenbild zwischen Fernsehrealität und Wirklichkeit“ statt, veranstaltet von WIFT Germany.
Unter der Moderation von Dr. Sylvia Nagel (Regisseurin und Produzentin, ProQuote) diskutierten sehr engagiert, kompetent und unterhaltlich Dr. Christine Otto (Drehbuchautorin, VDD), Käthe Niemeyer (Regisseurin), Winka Wulff (Film- und Fernsehproduzentin, Polyphon) und Anja Dihrberg (Casting Director, BVC).
Ich war auch dabei mit Zahlen und Gedanken aus diesem Blog – und werde in nächster Zeit noch einmal ausführlicher über die Veranstaltung berichten. Heute nur der Hinweis auf das MEDIENMAGAZIN von Radioeins RBB mit Jörg Wagner, der morgen (Samstag 25.1.) zwischen 18 und 19 Uhr Ausschnitte der Diskussion und Interviews senden wird.
Ansonsten noch ein anderer Gedanke. Und zwar las ich am Tag danach auf Twitter eine Kritik an der Zusammensetzung des Panels.
VeraLi_Maenner2Ich bin sehr dafür, dass Fernseh- oder sonstige Männer dieses  Thema öffentlich diskutieren, in Panels sitzen und sich positionieren. Unbedingt.
Auch diesen Mittwoch sprach nichts gegen einen Mann auf dem Podium, – es war nur zufällig keiner da, weil beispielsweise angefragte Verbände (VDD und BVC) Frauen als Vertretung geschickt hatten. Und dass kein Mann dabei war hat nicht gestört, im Gegenteil, es entstand so eine intensivere Runde, die dichter am Thema dran war.
Wieso das?

Weil auf dem Podium fünf Frauen saßen, die von dem Thema mehrfach betroffen sind, so wie es kein Mann sein kann. Sie sind betroffen, weil sie in der deutschen Fernsehbranche arbeiten, in der es Frauen schwerer haben als ihre Kollegen. Sie sind betroffen, weil sie Teil des weiblichen Fernsehpublikums sind und da teilweise vorsintflutliche Frauenbilder ertragen müssen. Und sie sind betroffen, weil sie über 40 sind.
Im deutschen fiktionalen Fernsehen gibt es wesentlich mehr Männer- als Frauenrollen, kommen Frauenfiguren ab 40 deutlich seltener vor als gleichaltrige Männer, führen wesentlich mehr Männer als Frauen Regie, werden die Drehbücher mit deutlicher Mehrheit von Männern geschrieben, haben die Sender eher Chefs als Chefinnen.
Ja, natürlich kann auch ein Mann über das Thema sprechen, über stereotype Rollenklischees und über Schwierigkeiten, gegen diese Situation anzuarbeiten und alternative, wegweisende neue Fernsehstoffe bei den Sendern durchzusetzen.
Aber jetzt die an anderer Stelle  immer wieder berechtigte Forderung nach Einbeziehung von Frauen in Diskussionen, Talkshows, Gesprächsrunden, Führungspositionen und mehr (sprich: die Quotendiskussion) einfach umzudrehen ist nett gemeint, ist freundlich und verständnisvoll, aber geht leider am Kern der Sache vorbei und ist vielleicht schnell geschrieben aber nicht lange bedacht. Das meine ich jetzt generell, nicht auf die Tweets von @VeraLi bezogen.

Der Reflex (ich nenne es mal so), bestimmte Forderungen einfach umzudrehn, diese Art eines Gerechtigkeitsempfindens, führt ins Leere. Es macht wenig Sinn, eine Quote für Männer zu fordern, denn sie sind als gesellschaftliche Gruppe nicht benachteiligt. Frauen hingegen schon.
Es macht wenig Sinn, den Stellenausschreibungsformulierungen „Frauen werden bei vergleichbarer Qualifikation bevorzugt eingestellt“ oder „wir möchten besonders Frauen auffordern, sich zu bewerben“ umgekehrte „Männer werden bei vergleichbarer Qualifikation bevorzugt eingestellt“ an die Seite zu stellen. Beides geht nicht und diese Art der Ausschreibungen will einem Frauenmangel in bestimmten Berufsgruppen oder Führungsebenen entgegenwirken, gegen die auf jeden Fall quantitative Männerübermacht.

Ich habe mir seit ich angefangen habe zu bloggen (das ist jetzt ein Jahr her) eine öffentliche Diskussion in Deutschland über das Thema Film, Fernsehen und Geschlechterungerechtigkeit gewünscht und mich seit einem guten halben Jahr für eine Veranstaltung wie diese eingesetzt und bin deshalb besonders froh, dass sie nun stattgefunden hat, als – lange überfälliger – erster Akt dieser Diskussion. (Das muss überhaupt nicht stimmen, ich kenne logischerweise nicht alle öffentlichen Veranstaltungen und Diskussionen in der Stadt oder im ganzen Land – vielleicht gab es da schon einige,  das wäre ja schön). Wie dem auch sei, mir und vielen anderen, die an dem Abend im Grünen Salon waren, kam es so vor, als ob erstmals endlich endlich und in breiterer Runde über ein Thema gesprochen wird, zumal mit harten Zahlen unterstützt, das vielen von uns – Frauen wie Männern – seit Jahren Bauchschmerzen bereitet.

„Wer spielt im deutschen Fernsehen eine Rolle?“
22. Januar 2014, Grüner Salon der Volksbühne Berlin. Foto: WIFT Germany

Übrigens, neben dem eingangs erwähnten, morgigen radioeins MEDIENMAGAZIN wird es auch noch im KULTURRADIO m einen Beitrag geben, aber voraussichtlich erst im März oder April. In der Sendung ZEITPUNKTE, in einer frauenpolitischen Reihe (so wurde es am Abend angekündigt).
Ja, natürlich ist es gut, wenn über die Veranstaltung und noch wichtiger die darin angerissenen Probleme berichtet wird, im Radio, in der Zeitung, im Fernsehen, im Internet, wo auch immer. Aber: es geht um kein Frauenthema.
Es ist kein Frauenthema, wenn das Fernsehprogramm schlecht ist. Es ist kein Frauenthema, wenn Schauspielerinnen keine Arbeit bekommen. Es ist kein Frauenthema, wenn ab einem bestimmten Alter Frauen in fiktionalen Formaten von unseren Bildschirmen verschwinden. Es ist kein Männerthema, wenn in einer Talkshow 5 Männer und eine Frau zu Gast sind. Es ist kein Männerthema, wenn 94 % der TATORTE von Männern inszeniert werden. Das sind gesellschaftliche Themen. Medienthemen. Politische Themen. Wirtschaftliche Themen.
Ich freue mich auf den Bericht im Kulturradio, aber hoffe ebenso auf Berichte im Feuilleton oder auf den Medienseite oder im Wirtschaftsteil der großen Tages- und Wochenzeitungen.

Wer spielt im deutschen Fernsehen eine Rolle?“ ist eine gesellschafts- und medienpolitische Frage, die Männer und Frauen gleichermaßen angeht und betrifft – und in sehr vielen Fällen auch beiden unter den Nägeln brennt.

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Es ist Freitag, und heute außerdem der Geburtstag von Klaus Nomi, der leider schon viel zu lange tot ist. Nomi war ein brillianter Sänger und eine beeindruckende Persönlichkeit und hat sich weder an Konventionen noch Rollenklischees gehalten. Heute wäre er 70 Jahre alt geworden. Mit einer Aufnahme seines Songs  Simple Man aus dem Jahr 1982 wünsche ich allen Leserinnen und Lesern von SchspIN ein schönes Wochenende.

Yes I’m a simple man
Come now and take my hand
Now Together, Never to be lonely
Yes I’m a simple man
I do the best I can
Now Together, just remember only
It’s so simple

English Version

Women’s Patience is Men’s Power

Last Wednesday evening a panel discussion took place in the Green Salon of the Volksbühne Berlin, hosted by WIFT Germany with the topic “Who plays a part on German TV?  Female image between TV reality and real life”. Moderated by Dr. Sylvia Nagel (director / producer, ProQuote), the film ladies Dr. Christine Otto (author, VDD), Käthe Niemeyer (director), Winka Wulff (Film- and TV producer, Polyphon) und Anja Dihrberg (Casting Director, BVC)  gave a brilliant performance with engaging, competent and entertaining discussions. I was also there presenting some facts and figures from my blog and will wirte a bit more about the discussion at a later date.
Tomorrow, Saturday 25th, journalist Jörg Wagner will broadcast extracts from the discussion and interviews with parts of the audience on Radioeins RBB, a German radio station, in his programme MEDIENMAGAZIN between 6 and 7 p.m.
Shortly after the discussion I read a tweet on Twitter that criticized the composition of the panel: @VeraLi asked why there were no men on the panel, adding that men also shape  TV, and that in situations of all-male panels there is criticism as well.

VeraLi_Maenner2I am all in favour of men (from the world of TV or else) discussing the issue openly, of men sitting on panels and taking a stand. Definitely.
 For Wednesday there were no arguments against a man on the podium – there just happened to be no man present. The professional organizations for example (like the script writers’ and the casting directors’ guilds) where asked to name a representative and they sent a woman. And actually without men the discussion reached an unusual level of personal closeness to the issue.
Why is that?
Because there were five women on the podium deeply and multiply affected by the issue, in ways unexperienced by men.  They are affected, because they work in the German television business, which is tougher for women than for their male colleagues. They are affected as part of the female TV audience that are regularly confronted with fossil female images. And they are affected because they are older than 40.
In German fictional television there is a distinct male majority of screen characters, women over 40 appear far more seldom than men of the same age, far far more male than female directors stage the scripts that are written by a majority of men, for TV channels headed by men.

Of course male filmmakers can talk about this issue, about stereotypied role clichés and about how difficult it is to fight this situation and enforce alternative, pathbreaking new stories and formats against the tv channels.
But to adopt the qualfied demand for the inclusion of women in discussions, panels, talkshows, leadership positions and more (in other words: the discussion of quota and better representation) and simply turn it around in favour of men is well-meant, friendly and understanding, but unfortunately a long way off the crux of the matter, and maybe easier said than thought about. This is a general thought on this, and not directed at @VeraLi and her tweets specifically.

 This reflex, if we want to call it that, to simply turn around political demands, this sort of sense of justice, comes to nothing. It does not make sense to call for a quota for men, because they are not discriminated against as a group in society. Women on the other hand are.
It does not make much sense to side the phrase fom many job advertisments – “applications by women will be preferentially favoured if they are comparably qualified” and “we would like to encourage women’s applications” with an inverted “applications by men will be preferentially favoured if they are comparably qualified”. Both is not possible at the same time, and these types of job advertisments have been developed to fight the underrepresentation of women in the public and private sector on many levels.

Since I started blogging a year ago I have hoped for a public discussion in Germany on film, television and gender injustice, and for more than half a year I have advocated an event like this week’s, and therefore I am very happy that it took place as the – long overdue – first act of this discussion. (This may be untrue of course, because naturally I don’t know of all events and discussion in this town or country, maybe some have taken place already which would be great!). In any case to me and many others, that were present that evening in the Green Salon, it appeared to have been a premiere, finally finally a discussion on a wider scale, supported by strong data, of a topic that has been causing great pains to many of us for years, women as well as men.

„Wer spielt im deutschen Fernsehen eine Rolle? / Who plays a part on German TV?“
January 22, 2014, Grüner Salon der Volksbühne Berlin. Photo: WIFT Germany

By the way, in addition to tomorrow’s radio programme MEDIENMAGAZIN another radio channel will be reporting on the panel discussion, but probably not until March or April: the show ZEITPUNKTE on the RBB-channel KULTURRADIO. ZEITPUNKTE (points in time) is a programme dealing with female political issues, at least that is how the programme was introduced on Wednesday night. (I could not fight an English expression for Frauenpolitik, politics for women? so I used “female political issues”.)
Yes of course, reports on the panel discussion and even more importantly on the problems discussed therein is a good thing, whether on the radio, in newspapers, on television, on the interhet or whereever. But: this is not a women’s issue.
It is not a women’s issue when the television programmes are bad. It is not a women’s issue when actresses don’t have work. It is not a women’s issue when women from a certain age onwards disappear from German TV screens. It is not a men’s issue when 5 men and 1 woman are guests in a talk show. It is not a men’s issue when 94 % of the TATORTE (Crime Scene. Germany’s most popular crime investigation TV series) are directed by men. These a society’s issues. Media issues. Political issues. Economical issues.
I am looking forward to the report on KULTURRADIO, but at the same time I am hoping for articles in the feuilleton and media pages or the economic section of major daily or weekly newspapers.

“Who plays a part on German TV?” is a social and media political question, that concerns  and affects both men and women – and in many cases is a burning issue for both.

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It’s Friday today, and also the birthday of Klaus Nomi, who unfortunately died much too early. Nomi was a brilliant singer and an impressive personality and never complied with conventions and role clicés. Today he would have been 70. With a recording  of his song Simple Man from 1982 I wish all readers of SchspIN a happy weekend.

Yes I’m a simple man
Come now and take my hand
Now Together, Never to be lonely
Yes I’m a simple man
I do the best I can
Now Together, just remember only
It’s so simple

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