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Gedanken einer Schauspielerin

Wir brauchen mehr Vorbilder

Vergangenes Wochenende begann die neue Saison der Fußball-Bundesliga. Vielleicht habt Ihr es über Eure präferierten Medien mitbekommen, Radio, Fernsehen, Zeitung, soziale Medien, sonstwie digital? Habt den Countdown „es geht wieder los!“ gehört oder gelesen, die Prognosen und Vorschauen, dann die Spielberichte, Ergebnisse, Tabelle.. –  Nein? Hm. Könnte daran liegen, dass es nicht um die Männerfußball-Bundesliga ging.

Vorbilder im Sport

Heute schreibe ich über Sport, genauer über Sportmeldungen in den Medien. Und da mein Anspruch ist, nicht nur Missstände aufzuzeigen, – denn das ist doch immer auch ziemlich frustrierend -, habe ich mir etwas überlegt, das den kritikwürdigen Status Quo ändern und die Situation womöglich verbessern kann. Dazu später mehr.

Mir geht es primär um diese kurzen Sportnachrichten am Ende von ,normalen’ Nachrichten, bzw. auch zwischendurch in einer Magazinsendung oder so. Wo es heißt: „Wir kommen jetzt zum Sport“ oder „Rob Rickards hat das Neueste vom Sport“, Ihr kennt das. Und auch die Online-(Kurz-)Meldungen und Sportseiten von Tageszeitungen, wo auch immer es außerhalb von reinen Sportsendungen oder -übertragungen aktuelle Sportinformationen gibt.

Sind die wichtig? Nun, neben dem Offensichtlichen (= Information) liefern Sportmeldungen einen Fundus für Smalltalk oder Icebreaker-Gesprächseinstiege, sie machen auf Leistungen, Menschen (= Sportler:innen) und Ungleichheiten aufmerksam, können inspirieren, Kopfschütteln und kontroverse Diskussionen auslösen, und mehr.

Sport in den Medien

Sport ist ein guter Überbegriff, denn er bezeichnet sowohl Sport getrennt nach Frauen und Männern, als auch gemeinsam stattfindende Wettbewerbe. Die sind zwar eher selten, aber es gibt sie: Gemischte Doppel im Tennis und Badminton zum Beispiel, oder Mixed im Beachvolleyball, dem Sport mit einer der beklopptesten Kleiderordnungen für Frauen, aber das ist ein anderes Thema, und im Recurve (-> Bogenschießen). Den Marathon laufen alle zusammen, werden aber getrennt gewertet; auch bei Volksläufen werden die Sportler:innen meist geschlechtergetrennt und gesamtgewertet (siehe auch meinen Bericht vom Halbmarathon in Riga,  Mai 2017). Edit: Und im Reitsport treten Frauen und Männer mit ihren Pferden gegeneinander an.

Dann gibt es Wettbewerbe, bei denen Frauen und Männer abwechselnd auf dem selben und / oder gleichzeitig auf verschiedenen Plätzen ,dran sind’, zum Beispiel in der Leichtathletik und bei den meisten Tennisturnieren – wobei da immer das letzte Finale den Männern gehört („Das ist schon immer so gewesen“, ach so).

In diesem Zusammenhang eine kleine Anekdote: gerade fand in New York das US Open Tennisturnier statt. Nachdem meine Lieblingsspielerin leider im Halbfinale ausgeschieden war hatte ich es nicht weiter verfolgt, wollte jetzt aber doch wissen, wer eigentlich gewonnen hat. Also gab ich in der Suchmaschine meines Vertrauens „US Open Finale Damen“ ein, und zwar am Montag Morgen, zwei Tage nach dem Endspiel am Samstag. Als oberstes Suchergebnis kam der Link zu einer deutschen Sportzeitung, und darunter drei Links mit Videos / Vorschaubildern nebeneinander. Alle drei bezogen sich auf das Finale der Herren, das am Sonntag stattgefunden hatte. Das hätte ich ja noch verstehen können, wenn ich nach US Open Finale gesucht hätte, es war nun mal das letzte. Aber wenn ich doch Damen in die Suche geschrieben hatte? Merkwürdig.

Vor ein paar Wochen fanden die Rhine-Ruhr 2025 FISU Summer World University Games statt, eine Art Olympische Spiele für Studis, die aber alle zwei Jahre abgehalten werden. Die Olympischen Spielen in Paris 2024 hatten meine frühere Begeisterung für (Geräte-)Turnen wiedererweckt, und das gab es auch hier. Es heißt mittlerweile sinnigerweise Artistic Gymnastics, ist wie schon in meiner Kindheit ein ,Fernsehsport’ und wirklich sehr spannend und beeindruckend! Auch wie freundlich und solidarisch sich viele Telnehmer:innen verhielten ist klasse, doch das nur am Rande.

Ich hab mir den letzten Wettkampftag (26.7.) im FISU-Stream angesehen, und da wurden die Männer- und Frauen-Einzel-Medaillenendwettbewerbe abgehalten. Immer abwechselnd. Toll. Man sah also automatisch beide, auch wenn man nur für die einen eingeschaltet oder in die Hallte gekommen war. Japan hat übrigens in dieser Sportart massiv abgeräumt mit insgesamt 17 Medaillen, darunter 5 Mal Gold bei den Frauen und 3 Mal Gold bei den Männern. Wie Japan überhaupt am Ende der Universiade die Medaillentabelle anführte, aber das ist wirklich ein anderes Thema, ichwollteesnurenpassanterwähnen.

Kommen wir zurück zu „Wir kommen jetzt zum Sport“ Theoretisch kann da alles kommen. Aber leider doch nicht, denn allermeistens geht es um Männersportler, um Männersport; Männerfußball, Männerbasketball, Männereishockey, Männerautosport, Männerradsport, Männerhandball…, und das nicht nur aus Deutschland. Ich konnte (musste?) durch Radionachrichten erfahren, wer in den USA die Männerbasketball– und die American Football Männermeisterschaft gewonnen hat, und über Männerfußballbundesligaspielertransfers und -trainerentlassungen werde ich ebenso ständig unfreiwillig informiert.

gemalt, in bunter Schrift und Großbuchstaben: FRAUEN MACHEN SPORT

Medial vermeldete Championsleague- oder Bundesligaergebnisse vom Fußball von Frauen gibt es dagegen so gut wie nie. Deshalb wundere ich mich auch nur wenig, dass (männer-)fußballbegeisterte Frauen und Männer aus meinem Bekanntenkreis so gut wie nichts wissen über die Frauenteams, vermutlich nicht mal, wer in der Bundesliga spielt und wie viele Teams es da gibt. Und reflexartig nur Desinteresse bekunden. 20, 30, 40, 50 Jahre Männerfußballgehirnwäsche zeigen Wirkung.

Diesen Montag erwähnte der Radiosender Bremen 2, dass das lokale Bundesligateam der Frauen, Werder Bremen, am Vortag 1:1 gegen die Freiburgerinnen gespielt hatte. Die übrigen sieben Partien – die letzte fand am Montag Abend stand – wie gingen die aus? Schweigen, Stille, Nichts. Oder ich hab immer im falschen Moment eingeschaltet. Egal bei welchem Sender. Heute berichteten sowohl Bremen 2 als auch rbb 24 Inforadio, wer morgen in der Männerbundesliga spielt. Das Freitagabendspiel der Frauen – Freiburg gegen Köln – nannten sie nicht.

Um es zu wiederholen: ja, beide, Männer UND Frauen, machen Sport, im Freizeit-, Amateur- und Profibereich. Unsere Medien berichten aber in erster und zweiter und dritter Linie nur über den Männersport. Es wird Zeit, das zu ändern. Denn wir wollen ja, dass alle Sport machen (können), – nicht nur weil 25 % der in Deutschland lebenden jungen Menschen fettleibig sind. Sport kann Spaß machen, schlechte Laune vertreiben, aus Einsam- und Untätigkeit holen, Selbstbewusstsein wecken, Teamfähigkeit stärken, bei der Integration benachteiligter Gruppen helfen und was nicht noch alles.

Und wie sollten speziell junge Mädchen oder junge Frauen auf die Idee kommen alleine für sich oder in einem Sportverein sportlich aktiv zu werden, wenn sie durch die Medien nicht erfahren, dass Frauen, unterschiedlich alt, mit verschiedensten gesellschaftlichen, persönlichen und körperlichen Hintergründen, Sport machen, auch auf höchstem Niveau? Dass Sportlerinnen im Mannschafts- und im Einzelsport Spaß haben und wetteifern, siegen oder knapp scheitern, fantastische Leistungen erbringen? Und was es nicht alles für Sportdisziplinen gibt, die Frauen ausüben können! Sportarten, die vielleicht ein Verein in Deiner Nähe anbietet?

Aber zurück zur Sportberichterstattung und der Notwendigkeit, die althergebrachte Männerlastigkeit abzubauen und für mehr Vielfalt zu sorgen. Nur wie?

Klartext reden!

Ihr wisst vielleicht, dass ich kein großer Fan von Quoten bin, nicht zuletzt, weil die nicht so leicht umzusetzen sind und auch nicht alle Beteiligten in die Verantwortung nehmen. Und dass ich deshalb gerne andere Ideen in Umlauf bringe, wie beispielsweise meinen Ansatz #2von6 für die Film- und Fernsehbranche (Einfach und direkt: #2von6).

Deshalb hier mein Vorschlag an die Medienverantwortlichen, um (Leistungs-)Sportlerinnen aus dem Medienschatten der Männersportler zu holen. Er ist leicht umsetzbar und kann schnell Wirkung zeigen.

Sagt wie es ist. Sprecht Klartext:

  • Wenn es in den Sportmeldungen, auf der Sportseite, im Sportteil der Nachrichten nur Meldungen aus dem Männersport gibt, dann nennt es genau so. Wählt die Überschrift Männersport. Betitelt die Seite in der Zeitung „Männersport“. Lasst Eure Nachrichtensprecher:innen sagen „Und jetzt zum Männersport“. Ich würde tippen, dass das 2/3 der Meldungen und mehr betrifft. Und wenn die Meldungen ohne Intro kommen, sagt „In der Männerbundesliga / bei der Männerbasketball-Europameisterschaft gab es folgende Ergebnisse“
  • Wenn in Euren Sportmeldungen sowohl Männer– als auch Frauensport vorkommt, bleibt bei Sport. Also Sportnachrichten, die Sportseite, „Weiter mit Sport“.
  • Wenn nur Meldungen vom Frauensport kommen könnt Ihr das so sagen. (Passiert aber eher selten.)

Das Ganze bedeutet keinen großen Aufwand. Die Zeitung braucht eine zweite Maske für die Seitenüberschrift, nämlich Männersport. Eine Radiosendung braucht vielleicht ein zusätzliches Jingle: „Männersportreport!“ Und die Redaktion muss natürlich hinsehen welche Meldungen es gibt und was sie auswählt.

Die Wirkung kann enorm sein. Denn wenn dieses einseitige Phänomen den Redaktionen und dem Publikum irgendwann bewusst wird oder sogar auf die Nerven geht, können ja ganz einfach auch Meldungen aus dem Frauensport recherchiert und gebracht werden. Und schon kann es wieder heißen „Weiter mit Sport“.

Das ist doch eine gute, leicht umsetzbare Idee, die deutlich macht, wie einseitig Sportberichterstattung ist, und wie viel uns im Grunde vorenthalten wird. Nämlich Berichte darüber, dass auch Frauen und Mädchen Sport machen, welchen Sport sie machen, wie die Ligen so laufen. Mädchen, junge und alte Frauen können neue Vorbilder finden, oder eine neue Lieblingssportart. Jungen und Männer natürlich auch!

Wie vielen in Deutschland haben angefangen Tennis zu spielen, damals, als Steffi Graf die Turniere weltweit dominierte und wir das im Fernsehen verfolgten? Wie viele kamen durch Franziska von Almsick zum Schwimmsport, Mädchen und Jungen, Frauen und Männer, und hatten ihren Poster an der Wand? Wie viele Kinder wurden durch die diessommerige Fußballeuropameisterschaft in der Schweiz inspiriert und wollen jetzt Fußball spielen? (Die Euro wurde von ARD und ZDF komplett, teils in Streams, übertragen, und sehr viele Medien berichtet recht viel über das Turnier, die Spiele, die Spielerinnen und Trainer:innen).

 Also Medien, liefert!

(Das gilt besonders für die öffentlich-rechtlichen, die hiermit an Artikel 3 GG erinnert seien.)

Sportvielfalt 

Ein positiver Nebeneffekt könnte übrigens sein, dass wir von mehr Sportarten hören werden. Wenn nämlich eine Zeitung oder eine Redaktion nicht von Männersport sondern von Sport berichten will brauchen sie Meldungen aus dem Frauensport. Und wenn es an einem Tag vielleicht keine Fußballmeldung gibt, weil Sommerpause in der Liga ist und die Euro vorbei, – aber bei den Männern immer noch jeder Trainerwechsel, jeder zig Milliardentransfer eines Spielers als nachrichtenwürdig erachtet wird – dann könnten sich die Redaktionen in anderen Sportwettbewerben mit Frauen umsehen, und die kommen auch einmal in den Fokus, nicht nur wenn da irgendjemand mit deutschem Pass unter die letzten vier kommt. Feldhockey! Basketball! Judo! Kanu! Rubgy!

Könntet Ihr sagen, ob es eine Bundesliga bzw. vergleichbare Wettbewerbe für Frauen gibt in Handball, Basketball, Eishockey, Feldhockey, Judo, Radsport, Gewichtheben, Kanu, Rubgy oder Rudern?

Kleiner Teaser:

  • Ja, es gibt eine Eishockeyliga. 2024/25 ging die Meisterschaft nach Memmingen zum ECDC (und ich mache jetzt das Fass mit dem Namen nicht auf), dessen Spielerinnen den KHM Budapest (!) auf den zweiten Platz verwiesen (Es scheint keine adäquate Liga in Ungarn zu geben). Die Memmingenerinnen / Memmingerinnen? holten zum 3. Mal in Folge den Titel, sie spielen seit 1998 durchgehend in der Eishockey-Bundesliga. Die erste Männermannschaft vom ECDC spielt aktuell in der Oberliga Süd.
  • Die Rubgy-Bundesliga gewannen die Frauen vom Heidelberger RK (Ruder Klub, ne Rugbyabteilung haben sie aber auch logischerweise).
  • Der Harvestehuder Tennis und Hockey-Club (HTHC) gewann 2024/25 die Feldhockey-Bundesliga der Frauen.

Da habt Ihr gleich drei Facts für casual plaudering bei jedweder Gelegenheit!

Das Publikum

Und was können wir tun, also wir alle, die nicht in einer Redaktion o.ä. arbeiten?

Ganz einfach: achtet genauer auf die Sportmeldungen. Geht es da gerade nur um Männersport? Ja? Dann nehmt das nicht mehr hin sondern

  • macht aus Eurer Beobachtung einen Zweizeiler für Eure social media Präsenz oder die vom Sender / der Zeitung usw. (mit Hashtag s.u.),
  • schreibt eine Mail an den Sender / die Zeitung, und protestiert gegen diese Einseitigkeit.
  • recherchiert kurz, welche Frauensportereignisse gerade aktuell sind und weist auf diese hin.
  • verwendet den Hashtag #frauenmachensport.

(Übrigens, Ihr habt es vielleicht erkannt: #frauenmachensport ist ein bisschen angelehnt an den Slogan #womenmakegreatfilms von Jasmile Zbaniev.)

Logline

Keine Sportnachrichten ohne Sportfrauen. Und wenn Ihr als Medien keine passende Meldung habt / finden konntet, dann macht aus den Sportnachrichten „Männersportnachrichten“ bzw. sagt „Weiter mit Männersport“. Und wenn Euch das als Publikum auffällt, kontert es mit einem #frauenmachensport

Nachtrag 19.9.25

Hier noch ein Bild der o.g. Recherche:

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