SchspIN

Gedanken einer Schauspielerin

Unterwegs auf der Grünen Insel – #WakingTheFeminists

Vor zwei Wochen fanden auf Einladung von Irish Equity und Equity Schottland & Nordirland zwei NEROPA-Seminare für Vertreter*innen der Theater- und Filmbranche in Dublin und Belfast statt. Hier ein kurzer Bericht, eine Vorstellung der Beteiligten auf beiden Seiten der Grenze und außerdem – mit freundlicher Genehmigung – Ausschnitte aus den Keynotes von Sarah Durkin („We need to Talk about Power and Representation“) in Dublin und Maggie Cronin (We have Come a Long Way and still have a Long Way to Go“).

Mit NEROPA nach Dublin und Belfast

Ich habe ja schon öfter über Initiativen in Großbritannien zum Abbau des Genderungleichgewichts in der Filmbranche geschrieben, (aus dem Anfangsjahr dieses Blogs, 2013, ist z.B. das Interview mit der Schauspielerin und Equity Women‘s Committee Mitglied Jean Rogers (Gut gemacht, Schwester Equity!), und 2016 war ich das erste Mal zu einem Treffen mit verschiedenen Kolleginnen und Aktivistinnen in London (siehe SchspIN in London). Schließlich fand diesen Januar, organisiert von Equity UK und dem British Film Institute BFI, auf Initiative von Jean Rogers und dem Women‘s Committee ein NEROPA Symposium in London statt. Kurze Zeit darauf kontaktierte mich Lorne Boswell vom Equity Büro in Glasgow, der einen NEROPA Doppelpack in Irland und Nordirland vorschlug, und mich wiederum mit Karan O‘Loughlin von Equity in der Irischen Republik bekannt machte, und tadaa! Ein paar Monate später geschah folgendes:

  • Ein NEROPA Seminar in Dublin (11. Okt.) mit u.a. Repräsentant*innen der Screen Producers Ireland Organisation, dem Irischen Theater Institut, dem Nationaltheater The Abbey, Drama Schools, (Film-/Theaterhochschulen), Caster*innen, Schauspieler*innen, Personalbetreuer*innen und Gewerkschaftsleuten.
  • Ein NEROPA Seminar in Belfast (12. Okt.) mit u.a. Repräsentant*innen vom BBC Writersroom, Northern Ireland Screen, Spotlight, dem Mac Theater, der Ulster Universität, Caster*innen, Equity Mitgliedern und Schauspieler*innen.
  • Ein NEROPA Workshop an der Queen‘s Graduate School, Queens University Belfast (12. Okt).

Hier der offizielle Flyer, den Sonia von der Irish Equity Kommunikationsabteilung gestaltet hat:

Auf beiden Seiten der Grenze waren eine Reihe von Leute an der Vorbereitung und Durchführung der Veranstaltung und der Organisation meines Aufenthalts beteiligt. Sie waren alle sehr hilfsbereit, witzig und allzeit bereit, mir die Städte zu zeigen und meine Wissenslücken zur Geschichte der irischen Insel, Politik, den Gewerkschaften, Sprachen, Küchen und mehr zu stopfen. Ja, wir haben auch über diese traurige Problematik gesprochen (das B-Wort), aber das ist ein Thema für einen anderen Tag. Stattdessen:

Herzlichen Dank nach Dublin!

Padraig Murray ist ein professioneller Schauspieler und Präsident von Irish Equity, der Gewerkschaft für Darsteller*innen in der Republik Irland. Padraig ist außerdem aktiv involviert in die Arbeit der Internationalen Föderation von Schauspieler*innen auf europäischen und weltweitem Niveau.
Karan O Loughlin ist bei Irlands größter Gewerkschaft SIPTU angestellt und ist Vorsitzende der Sektion Dienstleistung der Gewerkschaft. Irish Equity gehört zum Bereich Kunst & Kultur innerhalb der Dienstleistungssektion, Karan ist Chefin dieser Abteilung aber arbeitet außerdem unmittelbar für Equity.
Sarah Durcan arbeitet als Managerin für globale Aktivitäten bei der gemeinnützigen Organisation Science Gallery International. Sie hat lange als Theaterproduzentin und im Finanzmanagement gearbeitet und war ausführende Produzentin der preisgekrönten Irischen Theaterkompagnie The Corn Exchange, Geschäftsführerin vom Dublin Theaterfestival und dem Dublin Fringe Festival. Außerdem gehörte sie dem Vorständen vom Theaterforum und dem GAZE Filmfestival an. Sarah hat einen Bachelor in Kommunikation von der Dublin City Universität und einen Master in Kulturpolitik und Kulturmanagement vom University College Dublin. Seit November 2015 organisiert sie die #WakingTheFeminists Kampagne mit dem Ziel, bis 2021 an irischen Theatern Gleichberechtigung zu erreichen. Im Juli 2016 wurde Sarah in den Vorstand des irischen Nationaltheater The Abbey berufen.
Aileen Graham ist Assistentin im Bereich Kunst, Kultur, Druck und Medien der Gewerkschaft Siptu.
Sonia arbeitet in der Irish Equity Kommunikationsabteilung.

Herzlichen Dank nach Belfast!

Stephen Beggs ist Schauspieler, Autor, Regisseur und Moderator. Er lebt in Belfast und ist zur Zeit der Vorsitzende der nationalen Kommission für Nordirland der Gewerkschaft Equity UK.
Lorne Boswell ist seit mehreren Jahrzehnten Mitarbeiter von Equity Glasgow und auch für Nordirland zuständig. Er ist großer Rugby-Fan und spricht ein wenig Deutsch.
Marlene Curran arbeitet seit mehr als acht Jahren für Equity, aktuell  in der Mitglieder­betreuung, was bedeutet, dass sie regelmäßig zu Fernseh-, Film- und Theaterproduktionen in Schottland und Irland reist (Stichwort Setbesuche). Vorher war sie 13 Jahre in verschiedenen öffentlichen Verwaltungen tätig, unter anderem betraut mit der Wiedereingliederung Langzeitarbeitsloser. In der Zeit war sie als Mitglied der PCS Union (Gewerkschaft für Angestellte – Public and Commercial Services Union) Vertreterin im Gewerkschaftsbund. Marlene lebt mit ihrer 10-jährigen Tochter und dem Hund Barney in Glasgow.
Adam Adnyana ist für die Equity Gewerkschaft in Nordirland und Schottland tätig. Vorher hat er für Gewerkschaften im öffentlichen Dienst und der Finanzwirtschaft gearbeitet. Er hat einen Bachelor in Politikwissenschaften und Asienstudien von der Autralischen Nationaluniversität und hat kürzlich seinen Master in Employee Relations (Arbeitnehmer*innenbeziehungen) an der Newcastle Universität in England gemacht. Adam ist passionierter Tennisspieler und lebt mit seiner Frau und den vier Kindern in Glasgow.
Maggie Cronin ist Schauspielerin, Autorin und Regisseurin. Sie gehört der Kommission Waking The Feminists Nordirland an und ist Mitglieder der Untergruppe Forschung. Sie hat gerade ihre Promotion zum Thema Theatermacherinnen in Nordirland begonnen. In der Vergangenheit war sie gewähltes Rasmitglied von Equity. Heute arbeitet sie, ebenso wie Stephen Beggs, in der Equity Nordirland Kommission Psychische Gesundheit.

Die Keynotes

Nach einer kurzen Einführung in die Dubliner Veranstaltung stellte Sarah Durcan – die demnächst für das Parlament kandidiert – den irischen Hintergrund zum Thea des Tages vor (folgend eine gekürzte Fassung):

Sarah Durcan: Wir müssen über Macht und Repräsentation sprechen

Es ist eine schwere Zeit für Frauen – aber wann war es das nicht?

Es ist nur so, dass wir aufmerksamer geworden sind – der Kontext ist ein anderer geworden in den letzten Jahren – die massive Geschlechterungerechtigkeit wird nicht mehr verschwiegen, in der Repräsentanz, bei der Bezahlung, der Macht, nicht mehr geschwiegen über sexuelle Belästigung und geschlechtspezifische Gewalt. Gender ist die Hauptkategorie, mit der wir die Welt einteilen, es ist die erste Kategorie in die wir Menschen einordnen, noch vor Ethnie, Alter usw.
Ihr alle hier in diesem Raum habt Macht und Verantwortung. WIR formen unsere Kultur, und wie wir sie formen hat Konsequenzen. Frauen sind von zentraler Bedeutung für alle großen Themen und Fragen unserer Zeit.Unser Platz ist nicht in der kulturellen Peripherie, weil Ungleichheit bei Mitsprache und Repräsentation unsere Benachteiligung in der Macht bewirken. Überwiegend männliche Narrative zu hören ist nicht nur irreführend, es ist auch gefährlich. In dem wir der Hälfte der Talente unsere Kunst die Teilhabe versagen, beschneiden wir der Kultur und wir schaden unserer Gesellschaft. Kulturelle Freiräume für Frauen sind genauso wichtig wie unser politischer, unser wirtschaftlicher und unser körperlicher Freiraum.
Ein nachhaltiger, gemeinschaftlicher Einsatz ist vonnöten um das komplexe Problem der Geschlechterungerechtigkeit zu lösen. Dabei stehen wir vor einer einfachen Entscheidung: Wollen wir mit der Ungleichheit so weitermachen wie bisher weil es schon immer so war oder die Gleichberechtigung vorantreiben, weil das nun einmal so sein sollte.
Vor drei Jahren sprengte #WakingTheFeminists eine Diskussion über Gleichberechtigung in die Öffentlichkeit. Gleichberechtigung von Frauen in der irischen Kultur – auf der Bühne, der Leinwand, im Radio. Gleiche Möglichkeiten, gleiche Förderung, gleiche Bezahlung, sichere Arbeitsplätze. #WakingTheFeminists gaben zukunftsweisende, quantitative Studien in Auftrag zu den Top 10 öffentlich geförderten Theatern in den letzten zehn Jahren. Diese wesentlichen Basisdaten helfen die gegenwärtige Situation sichtbar zu machen UND sind gleichzeitig ein Maßstab, gegen den Wandel gemessen werden kann. Folge dem Geld! liefert gleichzeitig einen der effektivsten Wege, Geschlechterbenachteiligung in der Arbeit zu beleuchten. Je mehr Geld Theater erhielten umso weniger Frauen wurden beschäftigt. Das ändert sich jetzt.
Die Gründe für Geschlechterdiskriminierung sind strukturell und systembedingt und tief in der Geschichte verwurzelt, aber ihre Auswirkungen auf Frauen sind weltweit gleich: weniger Raum für Frauen, weniger Geschichten über Frauen, beschnittene Möglichkeiten für Frauen und eine verzerrte Vision unserer Welt, die dem Publikum serviert wird. #WakingTheFeminists öffentliche Kampagne bewirkte nach einem Jahr ein Bewusstsein für Geschlechterungerechtigkeit und ermutigte öffentlich geförderte Theater, systematische Veränderungen in ihrer Verwaltungsstruktur, den Richtlinien und Aktivitäten zu verankern.
Es gibt viele Herausforderungen, denen Ihr in Eurer Arbeit gegenübersteht. Aber wenn wir gedrängt werden, unter Druck stehen und nicht über ausreichende Ressourcen verfügen, dann ist das Risiko größer, dass wir stereotype oder voreingenommene Entscheidungen treffen. Deshalb brauchen wir Tools und Systeme die uns helfen, gegen unsere „unconsicous biases“ – diese unbewussten Verzerrungen – anzugehen.
(…) Konzentriert Euch also nicht nur darauf, Bewusstseinsarbeit zu leisten – werdet aktiv, bietet konkrete Werkzeuge an, die den Menschen helfen bessere Entscheidungen zu treffen, in dem ihr zum Beispiel ein Training zu unconscious bias mit Programmen zu Sponsoren / Förderung verbindet, mit konkreten Aktivitäten und Zielen.

Was das Tool NEROPA betrifft, so freue ich schon darauf, heute mehr über eine einfache Methode zu hören, die ohne einfach eingesetzt werden kann. Sie wird nicht alle Probleme lösen, aber einfache, strukturelle Maßnahmen können unser Verhalten und die Auswir kungen über die Zeit radikal verändern. Indem wir Schlüsselorganisationen zur Zusammenarbeit ermutigen, kann der positive Einfluss auf unsere Gemeinschaft weiter wachsen, weshalb es so großartig ist, dass heute so viele von uns da sind, und wir miteinander über unsere Ziele, Herausforderungen und Lösungen sprechen. Handlung und Veränderung können nur funktionieren, wenn Mitarbeiter*innen unserer Organisationen weitergebildet, ermächtigt und ermutigt werden – alle können Teil der Lösung sein.

Wir müssen unsere Diskussion über Repräsentation vertiefen

Es geht sowohl um die kreativen Inhalte als auch um die Bedeutung der Geschichten die wir erzählen. In den wenigen Fällen, wo nach Macht strebende Frauen dargestellt sind, werden sie oft am Ende dafür bestraft. Erzählen wir – auf Bühnen und Leinwand – die Wahrheit über das Dasein von Frauen, um dieses ans Licht zu bringen, oder verweigern wir den Zugang zu alternativen Narrativen, die den Frauen helfen könnten, ihre Stärke und Macht positiv auszudrücken? Ich glaube beides gleichzeitig trifft zu.
Für mich ist Geschichten erzählen, egal in welchem Format, eine der mächtigsten Werkzeuge mit der wir unsere Welt gestalten. Die Geschichten die wir uns erzählen, unsere kulturellen Narrativen, definieren wer wir sind und wer wir nicht sind, worüber wir sprechen, worüber wir nicht sprechen, was und wen wir einbeziehen und was und wen wir außen vor lassen. Es ist Zeit unsere Geschichten umzugestalten, und ihrer Macht eine neue Bedeutung zuzuweisen.
Ich frage mich, was es die Frauen kostet, die diese unterwürfigen Nebenrollen spielen, und im Laufe ihrer Karriere immer wieder auf solche Rollen besetzt werden – was macht es mit ihnen? Was macht es mit uns, den Zuschauer*innen?

Was macht es mit uns als Publikum, wenn wir Kunstwerke sehen, die von vergangenen oder gegenwärtigen Traumata handeln? Werden wir an irgendeinem Punkt traumatisiert oder retraumatisiert durch diese Erfahrung, in unseren Körpern, oder hilft uns die Kunst, die Traumata der Vergangenheit zu restrukturieren und zu transformieren? Theater, das die Kraft hat, unsere Kultur in positiver Weise zu verändern und inklusiv und heilend zu sein,
es steht viel mehr auf dem Spiel als unser künstlerisches Schaffen.
Es gibt keine Demokratie ohne Meritokratie (Leistungsgesellschaft), keine Meritokratie ohne gleiche Möglichkeiten, gleiche Möglichkeiten können nicht effektiv existieren wenn eine Gruppe an den Rand gedrängt oder ganz verdrängt wird.
Gleichberechtigte Repräsentanz – gleiche Mitsprache – gleiche Möglichkeiten – gleiche Bezahlung – gleiche körperliche Autonomie – gleiche Macht.

In Belfast sprach nach einer Einführung von Stephen Briggs die Schauspielerin Maggie Cronin – die den NEROPA Workshop an der Queen‘s Universität am Nachmittag organisiert hatte – über den nordirischen Hintergrund zum Thema des Tages (folgend eine gekürzte Fassung):

Maggie Cronin: Wir haben schon viel erreicht und haben noch viel vor uns

Irlands Theatergemeinschaft wurde aufgeschreckt durch die Waking The Feminists Bewegung – die wiederum durch ein Posting von Lian Bell in den Sozialen Medien gestartet wurde, das eine Reaktion auf die überwältigende Männerdominanz in der „Waking the Nation“ Spielzeit 2016 am The Abbey Theatre in Dublin war, die in Erinnerung an den Osteraufstand 1916 konzipiert war.

Dieses Posting löste große Reaktionen bei weiblichen (und vielen unterstützenden männlichen) Theaterleuten aus, und sie organisierten sich schon bald in eine aktive und lautstarke Gruppe, die sie Waking The Feminists nannten. Das Medienecho und akademische Unterstützung bedeuteten, dass schnell Fakten und Statistiken zusammenkamen und dass eine Mitarbeiter*innenzählung an den Top 10 öffentlich geförderten Theatern über zehn Jahre schnell erstellt wurde. Die Ergebnisse waren ernüchternd. Seitdem haben Kurswechsel in der Einstellungspolitik und der Zusammensetzung der Theatervorstände gezeigt, wie ernst das Thema genommen wird. Der schnelle Fortschritt war inspirierend.

Die Reaktion bei uns in Nordirland ist langsamer ausgefallen. Wir sind eine kleine aber engagierte Gruppe von Freiwilligen, die hauptsächlich an zwei Fronten arbeiten: Daten zu sammeln über die Beschäftigung von Frauen in den Top 5 öffentlich geförderten Theatern in Nordirland, und eine „sicherer Ort“ Gruppe als Reaktion auf schwerwiegende Vorwürfe zu sexuellen Übergriffen innerhalb der Branche.

Einiges ist schon erreicht worden, aber viel ist noch zu tun.

Als ich von Belindes Vorstellung am BFI in London im Januar hörte – veranstaltet von Jean Rogers und der Frauenkommission von Equity, dachte ich, dass es fantastisch wäre, sie nach Irland zu holen. Ich war sehr glücklich, dass sowohl Equity Nordirland als auch unsere Schwestergewerkschaft Irish Equity dies möglich machten und Schulter an Schulter diese Veranstaltungen in Dublin und Belfast organisierten.
Danke Euch dafür, Adam, Lorne, Marlene und Karan.
Belinde hat nicht nur NEROPA erfunden, sie ist außerdem eine Schauspielerin die in Film, Fernsehen und Theater arbeitet. Das bedeutet, dass sie das Thema von innen wie von außen kennt.
Wo ich gerade von Schulter an Schulter, „Shoulder to Shoulder“ sprach – dies ein Zitat aus dem Suffragetten Song „The March of the Women“ von Ethel Smyth, frage ich was Suffragetten wie Emmeline Pankhurst, Hanna Sheehy Skefffington, Lilian Metge und Dorothy Evans zu dem von uns Erreichten sagen würden?
Wir haben schon ein großes Stück Weg zurückgelegt, aber wir haben noch viel vor uns.

Und wie geht es weiter?

Ich freue mich sagen zu können, dass ich schon bald auf die grüne Insel zurückkehren werde. Northern Ireland Screen (offizielle Webseite) plant zu Beginn 2019 in Belfast eine NEROPA Vorstellung für Produzent*innen zu veranstalten.

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