Beim Filmpreis Nichts Neues?
Vor zwei Wochen habe ich 15 Filme analysiert, die b ei den US-amerikanischen Filmpreisen in mindestens zwei Kategorien nominiert waren (Alles schön divers bei den Oscars?). Der 6-Gewerke-Check ergab ein ziemlich rosanes Bild, denn in jedem der sechs Gewerke Regie, Drehbuch, Kamera, Ton, Montage und Musik lag der Männeranteil über 75 %. Was natürlich gleichzeitig bedeutet, dass der Frauenanteil immer unter 25 % lag, der höchste Wert vielleicht überraschenderweise bei den Komponistinnen, die 23,5 % erreichten.
Heute geht es um die Nominierungen zum Deutschen Filmpreis 2023 mit ein paar Statistiken, und die äh gute Nachricht ist schon mal, dass der 6-Gewerke-Check etwas besser für die Filmfrauen ausfiel, egal ob ich nur die sechs als „Bester Film“ nominierten Produktionen betrachtete oder alle 24 Filme, die in mindestens einer Kategorie nominiert sind. Das ist aber auch schon die beste Nachricht in diesem Text.
Die erste Abbildung zeigt den 6-Gewerke-Check für alle nominierten Filme:
Der höchste Frauenanteil liegt in der Montage (37 %), Regie und Drehbuch um die 30 % und die Komponistinnen lieferten den niedrigsten Wert mit 8 %.
Die Frage nach dem Anteil der Filme, die #2von6 erfüllen bietet sich an. Naja, vielleicht nicht, aber ich finde es interessant, ihr nachzugehen: wie viele der 24 nominierten Filme – Spielfilme, Kinder- und Dokumentarfilme – schaffen die zwei von sechs-Marke, d.h. bei wie vielen waren in mindestens zwei der sechs Gewerke Frauen beteiligt? Tatsächlich bei weniger als der Hälfte. Bei 13 Filmen findet sich keine oder nur eine Frau in verantwortlicher Position in den sechs Gewerken.
Etwas über die Hälfte ist rosa schraffiert, der Rest hellblau. Ist das gut? Nun, die Abbildung täuscht vielleicht ein besseres Ergebnis vor, denn es geht nicht um 50:50, sondern um 100 %. Alle öffentlich geförderten Filme sollten idealerweise den Anspruch #2von6 erfüllen. Und nicht nur 13 von 24 Filmen – 54 % – wie in diesem Fall.
Refrain: Wobei, vielleicht gibt es Filme, an denen mehr Frauen beteiligt waren, die aber nicht so gut ankommen beim Publikum bzw. bei den Mitgliedern der Filmakademie? Oder vielleicht gibt es keine Filme mit mehr Filmfrauen, weil die einfach nicht so gut sind und weniger Arbeit bekommen? Oder vielleicht gibt es festgeknüpfte Männernetzwerke, wo Frauen nicht rein- oder durchpassen? Wobei, ist es im Grund nicht eigentlich egal, welches Geschlecht die Leute hinter der Kamera haben?
Eins nach dem anderen. Hier zunächst der
6-Gewerke-Check für die sechs Nominierungen Bester Film
Konkret die sechs Nominierungen 2023. Später folgen als Vergleich die entsprechenden 6-Gewerke-Checks 2022 und 2021.
Was unschwer zu erkennen ist: keine Tonmeisterin oder Komponistin 2023, der Frauenanteil für Regie und Drehbuch unter 20 %, ja, das ist deutlich niedriger als bei allen nominierten Filmen. Aber – um etwas Positive festzuhalten: Kamerafrauen sind mit 33,3 % deutlich präsenter als bei den 24 Filmen und der Montage-Frauenanteil beträgt sogar 50 %. Toll.
Von den sechs Nominierungen für Bester Film schaffen vier Filme nicht die #2von6, darunter ein Nuller, RHEINGOLD, mit insgesamt einer Nominierung als Bester Film. Die Netflix-Produktion IM WESTEN NICHTS NEUES ist wenn ich richtig gezählt habe in zwölf Kategorien nominiert und als einziger der 24 Filme nicht öffentlich gefördert, sie kommt auf 1 von 6. Denn Lesley Paterson schrieb mit Edward Berger und Ian Stokell das Drehbuch, u.a. basierend auf Erich Maria Remarques Roman.
Die Henne oder die Eier
Ich habe schon so viele 6-Gewerke-Checks gemacht, die in den allermeisten Fällen ein überdeutliches Männerübergewicht in meist fünf der sechs Gewerke belegen. Allerdings, wenn wir dabei nur eine kleine Gruppe – wie in diesem Fall sechs Filme – betrachten ist das Ergebnis vielleicht nicht so aussagekräftig. Mit den Bester Film-Nominierungen vom letzten und vorletzten Jahr sind es 18 Filme, die Tendenz indes gleich.
Insgesamt lässt sich festhalten, dass Männer fast durchgehend in den sechs Gewerken die Überhand haben. Der Frauenanteil für Ton liegt drei Jahre am Stück bei 0 %, es saß in 18 Filmen keine Tonmeisterin an den Reglern. Am anderen Ende gibt es zweimal einen 50 % Anteil in der Montage. Der Rest liegt dazwischen.
Refrain: Eine #2von6-Schranke bei öffentlicher Forderung würde zwar die Statistiken etwas geschlechtsbreiter gestalten aber würde sie die Filme womöglich nicht besser, sondern mitunter schlechter werden lassen? Ist das zu viel Einmischung, sollten wir die Filmbranche und den Markt machen lassen und warten, dass sich mehr Filmfrauen durchsetzen oder entdeckt werden? Andererseits, verschenkt die Branche nicht unendlich viel Kreativität, wenn Frauen nicht nur beim Zugang zu den großen Projekten mit hohen Budgets benachteiligt sind?
Wenn es in den Hochschulfilmen und oft auch in der ersten Produktion danach noch höhere Frauenproporze gibt, wohin verschwinden sie? Eingesetzt aber für nicht gut genug befunden? Wohl kaum. Also gibt es höchstwahrscheinlich weiterhin dieses gewisse „Die können das nicht so gut“-Vorurteil, oder die alten Seilschaften – „ich arbeite immer mit Kamera- und Tonmann XY“. Klar, ein Film muss nicht automatisch besser sein, wenn Frauen beteiligt sind, und wenn es ein Frauen-Gegengewicht zu den vielen „hauptsächlich Männer in den 6 Gewerken“-Produktionen gäbe wäre ja alles gut. Nur sind diese Filme sehr selten. UND MORGEN DIE GANZE WELT (2021) ist so eine Ausnahme bei vier Gewerken mit Frauenbeteiligung, und WUNDERSCHÖN (2022) ebenfalls mit 4 von 6. Dieses Jahr kann nur ein Film mehr als zwei frauenbeteiligte Gewerke vorweisen: WANN WIRD ES ENDLICH WIEDER WIE ES NIE WAR mit drei von sechs.
UNd die Nuller unter den Bester Film-Nominierungen 2021 bis 2023 sind außer RHEINGOLD (2023) übrigens JE SUIS KARL (2021), SCHACHNOVELLE (2021) und CONTRA (2022).
18 Filme. Gerne möchte ich größere Pools berücksichtigen und nicht nur eine Schnittmenge, also wenigstens die Top 100 deutschen Filme eines Jahrgangs, oder gar alle geförderten Filme. Oder noch besser alle Projekte, die eine Förderung beantragt hatten? Schwierig, an die Daten ist nicht wirklich zu kommen, auch hatten nicht alle in einem Jahr nominierten Filme ihre Premiere schon im Vorjahr oder in der ersten Jahreshälfte, tauchen also nicht zwangsläufig in den Top 100 auf. Trotzdem, ich habe begonnen, die Top 100 publikumsstärksten deutschen Filme 2022 auszuwerten und werde voraussichtlich auch die Budgets berücksichtigen. Demnächst also mehr.
Die Deutschen Filmpreise 2023 werden am 12. Mai in Berlin verliehen.
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