SchspIN

Gedanken einer Schauspielerin

Aufruf: #Kultur4Geimpfte0103

善は急げ
Gutes sollte ohne Zögern gleich getan werden

Kultur für Geimpfte ab 1. März

 

  • Zusammenfassung: Brot und Spiele – Zwei Fliegen mit einer Klappe
  • Warum braucht Kultur eine neue Perspektive?
  • Warum brauchen alte Menschen eine neue Perspektive?
  • Die große Chance
  • Spielverderber
  • Die Vorschläge gehen nicht weit genug
  • Warum ruft niemand „Hier!“
  • Was tun? #Kultur4Geimpfte0103

Brot und Spiele – Zwei Fliegen mit einer Klappe

Theater, Konzerthäuser, Museen, Galerien, Kinos, Freizeitheime, Literaturhäuser, Stadtteilzentren, … sie sind zur Zeit geschlossen, um die Bevölkerung zu schützen. Das ist traurig für das Publikum, und hart für die betroffenen Aktiven, – etliche Kulturschaffende sind so unverschuldet in finanzielle Not geraten.
Viele Kultureinrichtungen hatten schon umfassende Hygienekonzepte für die veränderte Situation erarbeitet, das Geschehen auf den Bühnen wurde umchoreographiert, alle auf Abstand, gesprochen, gerufen und gesungen wurde eher nach vorne als zu den Kolleg:innen, Orchester wurden dezimiert mit großen Abständen zwischen den Pulten. Und auch im Publikumsraum wurden Abstandsregeln umgesetzt – Ihr erinnert Euch vielleicht an die Bilder von langen leeren Reihen mit vereinzelten Zuschauer:innen.

Seit Ende Dezember werden Menschen gegen den Coronavirus geimpft, zunächst in Heimen und Pflegeeinrichtungen Bewohner:innen und auch pflegerisches und medizinisches Fachpersonal. Im nächsten Schritt dürfen sich nun auch zu Hause lebende Menschen über 80 Jahren impfen lassen. Wir können also davon ausgehen, dass Ende Februar mehreren Millionen Menschen nach ihren zweiten Impfungen – und nach derzeitigem Kenntnisstand – nicht mehr an Covid-19 erkranken können. Hauptsächlich alte Menschen.

Das ist doch perfekt! Alte Menschen und Kultur, das passt zusammen. Nicht erst seit heute. Deshalb #Kultur4Geimpfte0103 ab 1. März:

Öffnet die Galerien – aber nur für Geimpfte.
Öffnet die Konzerthäuser – aber nur für Geimpfte.
Öffnet die Kinos – aber nur für Geimpfte.
Öffnet die Kulturzentren – aber nur für Geimpfte.
Öffnet die Museen – aber nur für Geimpfte.
Öffnet die Theater – aber nur für Geimpfte.

Soweit ich weiß ist es in den letzten 12 Monaten zu keinen Ansteckungen, zu keiner Coronahotspotbildung in Theatern, Konzertsälen oder Museen gekommen. Prüft die Hygienekonzepte auf und hinter den Bühnen, in der Verwaltung, den Werkstätten, dem Postkartenshop…. Ihr müsst nur aufpassen, dass das künstlerische und nicht-künstlerische Personal Abstand hält, FFP2-Masken trägt und sich gegenseitig schützt.

Das Publikum – die Geimpften – geht kein Risiko ein und stellt vermutlich auch nach aktuellem Forschungsstand keine Gefahr für andere dar.* Und weil ja nur Geimpfte in die Vorstellungen dürfen, können alle Plätze besetzt werden, nicht nur 20 % mit großen Abständen.

Es wurde 2020 extra die Mehrwertsteuer gesenkt, um den Konsum zu steigern. Prima, und jetzt stoßen wir den Kulturkonsum an. Lasst die ersten Geimpften die ersten sein die wieder dürfen, wir anderen kommen nach, wenn wir im Sommer auch geimpft oder die Infektionszahlen so niedrig sind, dass Kultureinrichtungen unter Auflagen wieder für alle geöffnet werden.

*Die Frage ob Geimpfte andere Menschen anstecken können scheint noch nicht eindeutig beantwortbar zu sein. Im Grunde ist das für diesen Vorschlag aber egal. Die Geimpften können sich am Eingang zur Kultureinrichtung die Hände desinfizieren, mit Alltagsmasken zur Eintrittskartenkontrolle gehen und erst am Platz die Maske absetzen. Im Saal sitzen ja nur Geimpfte, und die können sich gegenseitig nicht anstecken, weil sie ja geimpft sind. In Museen muss für ausreichend Abstand und FFP2-Masken für Ticket- und Aufsichtspersonal zu sorgen. Für Besucher:innen untereinander gelten die Abstände nicht, aus dem genannten Grund.

Den Kulturschaffenden das Brot, den Alten die Spiele.

Warum braucht Kultur eine neue Perspektive?

Zur Zeit wird ,die Kultur‘ abgesagt oder verschoben (siehe als Beispiel das Programm der Elbphilharmonie und Laeiszhalle in Hamburg), bzw. soweit wie möglich in digitale Sphären verschoben.
Konzerte finden ohne Publikum statt, Orchester, Solokünstler:innen, Bands stehen mit gebührenden Abständen auf der Bühne, die Zuschauer:innen können sie im Radio, per Livestream, on demand oder in Mediatheken kostenfrei oder mit Onlinetickets aus der Ferne erleben.

Das Haus geschlossen, die Lage schwierig – aber die Berliner Philharmoniker spielen ihre Konzerte, so gut es geht, vor Kameras und Mikrofonen. (Quelle DLF Kultur)

Auch in der Saison 2020/21 ist das DSO neben seinen Konzerten in der Berliner Philharmonie dank seiner Radiopartner und Gesellschafter regelmäßig in den Programmen von Deutschlandfunk Kultur, Deutschlandfunk und rbbKultur sowie bei anderen ARD-Sendeanstalten präsent. (Quelle Deutsches Symphonie Orchester Berlin).

Viele Konzerthäuser und Orchester verfahren ähnlich. Für andere Musikschaffende ist es da oft schwieriger – sie die nicht auf großen Bühnen sondern in kleineren Kultureinrichtungen, Clubs oder Kirchen auftreten. 

Galerien und Kunsthallen sind auch in echt geschlossen und stellen höchstens virtuell aus:

Um der Verbreitung des Corona-Virus entgegenzuwirken bleibt die Hamburger Kunsthalle vom 2. November 2020 bis 14. Februar 2021 geschlossen. Ein Ausstellungsprogramm findet in diesem Zeitraum nicht statt. Unser analoges Veranstaltungsprogramm startet voraussichtlich zum 2. Februar 2021.
Weiterhin geöffnet und von überall zugänglich bleiben unsere Angebote im digitalen Raum – nutzen Sie unsere Angebote auf der Webseite, erkunden Sie unsere Online-Sammlung oder folgen Sie uns in den sozialen Medien. (Quelle Hamburger Kunsthalle)

Kinos sind geschlossen. Sie verkaufen Eintrittskarten für zukünftige Filmvorführungen, oder hoffen auf Solidarität, wie zum Beispiel durch die Spendenkampagne FORTSETZUNG FOLGT – Berliner Programmkinos retten:

Vom exklusiven Kinostart über die verrücktesten Festivals & interessantesten Veranstaltungen bis hin zum großen Arthouse Film wird hier in der Hauptstadt auf 78 Leinwänden täglich Kino neu erfunden. Durch die aktuelle Kreativpause ist die Berliner Kinolandschaft in seiner Existenz bedroht. Wir möchten auch in Zukunft diese Vielfalt für Euch erhalten & dafür brauchen wir Eure Unterstützung!

Museen geschlossen. Kulturzentren geschlossen. Stadtteilkultur geschlossen. An den Theatern sind es auch nicht besser aus, keine öffentlichen Vorstellungen! Obwohl sich noch vor dem Shutdown etliche Bühnen und Ensembles um eine strikte Befolgen der Coronapräventionsauflagen bei ihrer Probenarbeit und den Vorstellungen bemüht hatte – und so proben sie vielerorts aktuell weiter. Eine Kollegin erzählte mir von einem Zweipersonen-Stück:

Die ganze Produktion war coronakonform, mit einer Hygieneberatung zu Anbeginn der Probezeit, wir Beide sind uns auf der Bühne auch nie näher gekommen als 1,5 m, und wenn wir laut gesprochen haben dann 3 m. Das haben wir alles eingehalten bzw. einhalten müssen. Und wir durften zum Beispiel auch nicht privat zusammen essen oder uns in den Arm nehmen oder irgendwas. Und sonst war das Hygienekonzept für das ganze Haus, also die übrigen Menschen am Theater, sehr gut und sehr streng. (Quelle persönliches Gespräch)

Was ich mit diesen Beispielen sagen will: die Voraussetzungen sind günstig, ganz viele sind bereit! Es wird vielerorts schon coronasicher gespielt, getanzt und musiziert, ausgestellt – und schon bald gibt es dazu ein mögliches coronageimpftes Publikum. Vorhang auf, Handys aus: Lasst die Vorstellungen beginnen!

Dann können Kulturschaffende endlich wieder vor Zuschauer:innen arbeiten. Und dabei Geld verdienen:

Die Corona-Pandemie hat verheerende Folgen für die Kultur- und Kreativwirtschaft. Vor allem viele kleine Kultureinrichtungen stehen am finanziellen Abgrund. Für Künstlerinnen und Künstler geht es um die Existenz. Die Bundesregierung hilft mit Unterstützung in Milliardenhöhe und weiteren Förderleistungen. (Quelle Bundesregierung 20.11.20)

Warum brauchen alte Menschen eine neue Perspektive?

Viele alte Menschen lieben Kultur, sie gehen in Konzerte, in Museen und Galerien, ins Theater, können Gedichte und Textpassagen mitsprechen, die sie vor langer Zeit gelernt haben, oder Lieder und Arien mitsummen. Sie lesen viel oder haben viel gelesen. Und sie sehen das öffentlich-rechtliche Fernsehprogramm – obwohl sie dort selber kaum vorkommen, vor allem nicht, wenn sie Frauen sind.

In Coronazeiten haben wir aus Vorsicht – vielleicht auch weil es einfacher war – alte Menschen noch deutlicher als sonst aufs Abstellgleis umgelenkt. Eine Pandemie? Wir schließen die Seniorenheime für Besucher:innen, lassen die Insass:innen nicht mehr raus. Krankenhäuser ebenso. Damit ihnen nichts passiert sollen noch selbstständig lebende Menschen in ihren Wohnungen und Häusern bleiben, in sozialer und räumlicher Isolation, Kontaktbeschränkung der höchsten Form, zehn, elf Monate schon. Man gibt den Alten ein Tablet, bringt ihnen Videotelefonie bei, und vergisst, dass die meisten von ihnen seit fast einem Jahr kaum mehr als eine Handvoll verschiedene Menschen aus der Nähe gesehen haben und sie langsam eingehen, vereinsamen. Soziale Kontakte in der Öffentlichkeit, beim Einkaufen, im Park oder an der Bushaltestelle, beim Singen, Basteln oder Tanzen, bei Stuhlgymnastik oder Spieleabend wurden ihnen genommen, sie sollen zu ihrer eigenen Sicherheit zu Hause bleiben, ,idealerweise‘ im permanenten Lockdown.

Jetzt haben die Impfungen begonnen und alte Menschen, diejenigen in Heimen und andere über 80 Jahren bekommen wenn sie wollen zwei Spritzen im Abstand von drei Wochen, um gegen Covid-19 immun zu werden. Das ist für sie und auch ihre Freund:innen und Angehörige vermutlich ein große Erleichterung. Inwieweit sich ihr Leben, ihr Quasidauerquarantänealltag ändern wird ist unklar. Werden wir demnächst wieder mehr alte Menschen in Geschäften, auf den Straßen, im Park sehen?

Jüngere Menschen erleben Einsamkeit derzeit ebenfalls sehr stark, doch anders als viele Senioren hätten sie eher die Chance, aus der Isolation wieder herauszufinden“. wird der Soziologe Janosch Schobin im DLF Kultur zitiert.

Eine solche Chance könnte die Öffnung von Kultureinrichtungen für Geimpfte zum 1. März sein.

Die große Chance

Klar, nicht alle Geimpften werden zu kulturellen Veranstaltungen gehen wollen oder können.
Und es werden auch nicht alle Theater, Kinos, Kunst- und Konzerthallen auf einmal öffnen und an sieben Tagen bzw. Abenden Programm anbieten sein.

Aber ein Anfang kann mit #Kultur4Geimpfte0103 gemacht werden. Schwere Zeiten erfordern besondere Maßnahmen, Empathie, Kreativität, Erfindungslust, Spontanei- und Flexibilität. Und Mut. Nicht Mut zum Risiko für Andere, egal ob Geimpfte oder Ungeimpfte. Sondern Mut, etwas auszuprobieren und vielleicht unpopulär zu sein. Und Mut, sich für eine große benachteiligte Gruppe ohne Lobby einzusetzen.

Wir können davon ausgehen, dass viele coronakonforme Angebote zur Verfügung stehen, sei es, weil an Theatern Ein- oder Zwei-Personen-Stücke geprobt, Kammerspiele auf große Bühnen gestellt, oder Orchesterstücke für kleinste Ensembles umgeesetzt wurden.

Und da geht noch viel mehr, als schnell umsetzbare Angebote für Geimpfte, für Über-80-Jährige und erschöpftes Pflegepersonal:

Opern, Musik- und Musicaltheater können Best Of‘s mit einigen wenigen Solist:innen ausrichten. Operettenliederabende. Oder Mitsing-Matinées, öffentliches Singen mit kleinen Chorbesetzungen. Tanztheater können Abstand-Choreographien darbieten. Kleine Besetzungen von Musikhochschulen, ein Quartett, ein Trio, oder ein/e klavierbegleitete/s Streichinstrument oder Klarinette könnten (wieder) in Altenheime gehen. Schauspieler:innen können dort Lesungen oder Improvisationstheater anbieten.

Wir sind die Kreativbranche. Wir können improvisieren, ins kalte Wasser springen und etwas Verrücktem Ernsthaftigkeit verleihen.
Ich kenne keine Schauspieler:innen, keine Musiker:innen, keine Tänzer:innen, die sagen „ich will aber nur für Menschen unter 80 spielen“.

Und ich kann mir vorstellen, dass sowohl kulturerfahrene als auch kulturferne Senior:innen nach 10 Monaten Kontaktsperre und Vereinsamung glücklich sind wieder raus zu dürfen, wieder etwas unternehmen und erleben zu können. Da geht man vielleicht auch mal ins Theater, auch wenn man das sonst nie tat, oder ins Kino, vor allem, wenn dann mehr Ältere in der Vorstellung sitzen.

Wie mir meine Kollegin Claudia Reimer aus Hamburg schrieb: Ich denke, jetzt ist die Chance, Theater auch zu den Leuten zu bringen, die generell nicht ins Theater kommen…“

Da ist also auch die Kreativwirtschaft, sind wir alle gefragt. Warum nicht einfach mal alten Menschen das Gefühl geben, dass wir sie wichtig finden, relevant für unsere Gesellschaft, für unser Leben, für unsere Kunst und Kultur?

Spielverderber

Den baldigen Genuss vom künstlerischen Spiel (bei gleichzeitigem Anschub für Kulturschaffende) durch #Kultur4Geimpfte0103 wollen manche Politiker:innen der ersten Gruppe Geimpfter aber leider nicht erlauben:

„Viele warten solidarisch, damit einige als erste geimpft werden können“, sagte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn. „Und die Noch-Nicht-Geimpften erwarten umgekehrt, dass sich die Geimpften solidarisch gedulden.“ (Quelle tagesschau.de, 30.12.20)

Die Vielen warten nicht zwangsläufig solidarisch, sondern weil es einfach so ist. Und dann gibt es Menschen, die gar nicht geimpft werden sondern abwarten wollen, wie es den ersten Geimpften nach ein paar Monaten geht. Und Impfgegner:innen gibt es auch.

Aber noch wichtiger: woher weiß Jens Spahn, was die Noch-Nicht-Geimpften „erwarten“? Ich bin noch nicht geimpft, und ich habe überhaupt kein Problem damit, wenn Geimpfte endlich raus dürfen bzw. mehr machen können als ich. Bloß weil ich selber grad nicht darf, sollen andere das auch nicht dürfen? Das soll Solidarität sein?

Wir haben ja vorher auch nicht gesagt: „Oh, die alten Menschen werden weggesperrt. Da machen wir alle aus Solidarität einen freiwilligen totalen Lockdown.“ (wäre vielleicht gar nicht mal so schlecht gewesen, siehe Australiens Zero-Covid, aber das ist ein anderes Thema.)

Und wir sagen auch nicht: „Oh, ganz viele Menschen können zur Zeit nicht bezahlt arbeiten, also stellen die anderen aus Solidarität auch ihre Arbeit ein.

Die Vorschläge gehen nicht weit genug

Gestern kam die Meldung, dass Finanzminister Olaf Scholz (SPD) neue Coronahilfen für die Kultur plant: die teilweise Kostenübernahme bei ausgefallenen Events, und einen Hilfsfonds. Dieser soll zum einen kleinere Kulturveranstaltungen fördern, die wg. der Hygienevorschriften noch weniger Zuschauerplätze haben. Und zum anderen ist er eine Art Versicherung für geplante größere Kulturveranstaltungen, die coronabedingt abgesagt werden müssen. (Quelle Politik & Kultur 2/21, S. 7.)

Das ist gut, aber bringt Kulturschaffende und ihr Publikum nicht zusammen, lässt beide nicht aktiv werden. #Kultur4Geimpfte0103 hingegen schon. Könnte also sozusagen als Hilfe zur Selbsthilfe eingeführt werden, neben den finanziellen Hilfspaketen.

Ein anderer Vorschlag kam Mitte Januar von Außenminister Heiko Maas (SPD), der anregte, dass Corona-Geimpfte früher als andere in Restaurants oder Kinos gehen dürfen sollten. Dies wurde sofort vom Gesundheitsministerium und von Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) abgelehnt: „ solange nicht klar ist, ob ein Geimpfter das Virus übertragen kann, kann es keine Ausnahmen geben“ bzw. (es verbiete sich), „Geimpfte anders zu behandeln als Nicht-Geimpfte, schon weil es keine wissenschaftlichen Belege gebe, ob die Impfung vor der Weitergabe des Virus schütze.“ lauteten ihre Begründungen. (Quelle tagesschau.de 17.1.)

Natürlich können Geimpfte anders behandelt werden als Nicht-Geimpfte. Nämlich: weil sie geimpft sind und sich nicht mehr anstecken können. Das verbietet sich auch nicht, im Gegenteil, genau das fordere ich ja zum 1. März mit #Kultur4Geimpfte0103.

(nochmal: wenn nur Menschen die geimpft sind untereinander nahen, ungeschützten Kontakt haben – in einem Museum, im Zuschauerraum eines Theaters, in einem Kino – dann ist es egal, ob sie trotz Impfung noch andere Menschen anstecken könnten oder nicht. Das Theater- oder Kinopersonal trägt FFP2-Masken, die Geimpften auch, vom Einlass bis zu ihren Plätzen bzw. den Ausstellungsräumen. Übrigens: die Anfahrt zu den Kulturstätten mit ÖPNV wäre auch kein Risiko für die Geimpften, sie müssen nur Abstand zu den anderen Fahrgästen halten. Oder sie fahren mit dem Taxi. Oder mit einem Sammelbus.)

Warum ruft niemand „Hier!“

Ich habe leider niemandem mitbekommen, der oder die den Vorschlag von Herrn Maas unterstützt oder weitergesponnen hätte. Vielleicht gab es die, wer weiß.

Aber was ich vor allem schmerzlich vermisst habe sind die „Hier! Hier! Hier!“-Rufe aus der Kulturbranche. Warum hat niemand die Vorlage angenommen?

Gerade wir Kulturschaffende sollten wenn schon nicht herzlich dann zumindest dankbar die Gelegenheit ergreifen und uns freuen, dass es in spätestens einem Monat genug impfgeschützte alte Menschen gibt, die helfen könnten unsere Branchen zu beleben. Die Geld bringen, nicht als Novemberhilfe oder Darlehen oder Hartz IV, sondern die Eintrittskarten kaufen. Die die Säle füllen können. Die unsere Darbietungen genießen, uns Applaus schenken, uns sehen. Und wir können sie dann umgekehrt auch hören und sehen und spüren. Und wieder Kunst erschaffen für ein leibhaftiges Publikum. Alles ist besser als nichts machen zu können, als nur für die Konserve zu spielen.

Besser ein Theater macht nur Vorstellungen für Senior:innen und zehn, zwanzig jüngere Pflegekräfte und Ärzt:innen, und darf sogar alle Plätze lückenlos besetzen, als dass es ganz geschlossen bleibt.

Besser ein Kino lässt nur alte Besucher:innen rein und geimpftes medizinisches Personal, und stellt womöglich das Programm etwas um, als dass der Projektor komplett aus bleibt.

Besser alte Menschen im Rollator gehen durch die Museumsräume als dass die Ausstellungen nur noch gestreamt werden.

Wo bleiben die Kreativen, die Theatergewerkschaften, die Orchestervertretungen, die Verbände, die Theaterintendant:innen? Ich wundere mich dass die nicht alle schreien „Wir sind da, wir sind bereit, wir kriegen das hin. Am 1. März kann es sicher los gehen. Die Kulturbranche freut sich auf die „Privilegierten“! Wir wollen gerne für die Geimpften unsere Türen öffnen, bitte lasst uns spielen / musizieren / ausstellen, wir passen auch auf!

Wenn es diese Stimmen gibt habe ich sie nicht mitbekommen.

Sicher, da ist zum Beispiel der offene Brief von Museumschef:innen an die Kulturverantwortlichen von Bund und Ländern, in dem sie eine baldige Öffnung der Museen fordern. „Unsere Sorge gilt der Eindämmung der Pandemie, zugleich aber auch einer dem jeweiligen Verlauf von Corona angepassten Wiedereröffnung der Museen“. (Quelle Berliner Zeitung vom 26.1.21)

Aber die fassen das heiße Eisen der zuerst Geimpften auch nicht an. Und wieso fällt Berlins Kultursenator Klaus Lederer (Die Linke) nichts besseres ein als zu sagen, die Theater bleiben ausnahmslos bis Ostern zu? Teilt er etwa Jens Spahns Solidaritätsdefinition?

Ich bin Schauspielerin, ich könnte sofort mit einem Solostück oder Literaturinszenierungen (Gelesenheiten – inszenierte Literatur für jeden Anlass) auftreten. Wie viele von uns sind Teil von Produktionen, von geplanten Konzerten, haben Programme in der Schulade und haben in den letzten Wochen und Monaten nur Videoclips aufgenommen zu Hause. Ohne Publikum. Da ist es doch viel netter, vor Menschen zu spielen. Anderen Menschen etwas geben und etwas bekommen.

Viele Kreative sagen gerne „ich möchte bis zum Ende meines Lebens auf der Bühne / vor der Kamera / an meiner Staffelei stehen, ich will schreiben / musizieren bis ins hohe Alter“. Machen wir uns also stark dafür, dass Menschen im hohen Alter sobald wie möglich unsere Kunst im Kino- oder Theatersessel, im Museum, Konzert- oder Literaturhaus wieder genießen können. Sicher genießen, weil sie zwei Mal geimpft wurden.

Was tun? #Kultur4Geimpfte0103

#Kultur4Geimpfte0103 ist konkret. Etwas, worauf wir gemeinsam oder einzeln die nächsten fünf Wochen hinarbeiten können. Ein Vorschlag, der viele Menschen wieder Kunst erschaffen und Kultur erleben lassen wird.

Teilt diesen Text, diskutiert den Vorschlag, was spricht dafür, was dagegen? Verbreitet die Idee.

Redet mit Euren Intendant:innen, Regisseur:innen, Kolleg:innen, Dirigent:innen oder Professor:innen. Euren Ensembles, Eurem Orchester, Eurer Pianistin. Plant Auftritte, was geht, was ist für Euch Kulturschaffende sicher?

Schreibt an Politiker:innen, an Kultursenator:innen und an Minister:innen, an den Kulturrat, Frau Grütters und von mir aus auch an Frau Merkel. Seid anschaulich, seid bereit.

Wartet nicht auf die Vorschläge von Anderen, die Politik hat blinde Flecken. Lasst Euch nicht abwimmeln mit dem Argument „So schnell geht das nicht.“ Wer weiß das denn schon?

Macht Druck. Bietet an. Traut Euch.

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