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Gedanken einer Schauspielerin

Bekommen die TATORTE ein Quotenproblem?

TATORTE. Einschaltquote. Frauenquote.

Heute geht es um die 36 erstausgestrahlten TATORTE 2020, ich vergleiche die Männer- und Frauenanteile im 6-Gewerke-Check (Regie, Drehbuch, Kamera, Ton, Schnitt und Musik), und analysiere die Entwicklung 2011 bis 20. Außerdem betrachte ich die Filme unter der Vorgabe #2von6. Schließlich diskutiere ich die TATORT-Situation unter Einschalt- und Frauenquote-Aspekten, mit einem Abstecher zu Pro Quote Bühne.

Um Missverständnissen vorzubeugen, TATORTE 2020 bedeutet, dass die Filme 2020 ihre Erstausstrahlungen hatten. Die Produktionen begannen größtenteils bereits 2019.

Der 6-Gewerke-Check 2020

Es deutete sich bereits in der Sommerpause an, 2020 war ein sehr gutes Jahr für TATORT-Regisseurinnen, sie kommen mit insgesamt 16 der 36 TATORTE auf 44,4 %. Am anderen Ende stehen die Tonmeisterinnen, oder eben nicht, sie wurden im dritten Jahr in Folge nicht bei TATORTEN engagiert. Wobei das so nicht ganz stimmt, der höchste Frauenanteil wird wieder einmal im Schnitt erreicht, diesmal mit 77,3 % Editorinnen. Zum Vergleich: Alumni 51:49, Crew United Datenbank 35,5 : 64,5.

6-Gewerke-Check Tatorte 2020

Wie sieht es mit dem Sorgenkind Drehbuch aus?

Hat die Autorinneninitiative Tatort: Drehbuch – die eine 50 % Autorinnenquote bis 2021 gefordert hatten – einen Umschwung weg von der erdrückenden Männerlastigkeit bewirkt? Ich fürchte Nein. 2020 ist der Frauenanteil bei den 36 TATORT-Drehbüchern 17 %. Diese Zahl bedeutet, dass unter allen Autorinnen und Autoren der 36 Bücher 17 % Frauen sind. (siehe auch „Warum arbeitet Ihr nicht mit Drehbuchautorinnen?“).

Der Anteil der Drehbuchautorinnen ist mit 17 % übrigens auf ähnlicher Höhe wie der der Kamerafrauen bei TATORTEN (16,2 %), und dass, obwohl der Anteil der Absolventinnen im Fach Drehbuch mit 48 % fast doppelt so hoch ist wie der bei der Bildgestaltung (25 %). Ebenso ist der Anteil der Drehbuchautorinnen im Beruf mit 42,8 % fast vier mal so hoch wie bei den Kamerafrauen (11,2 %), wenn die Crew United Datenbank als Gradmesser dienen kann (Stand 23.10.20, herzlichen Dank an Vincent Lutz). Wie viel weiblicher Blick ist zu erleben, wenn die Geschichten zu mehr als 80 % von Männern stammen und zu mehr als 80 % von Männern gefilmt werden?

Die nächste Abbildung zeigt, wie sich die Autor:innenschaft 2020 gendermäßig zusammensetzt:

TATORTE 2020: Gender Autor:innen und Teams

Tatsächlich gibt es 2020 nur ein Drehbuch, an dem kein Mann mitgeschrieben hat: den Schwarzwald-Tatort REBLAND von Nicole Armbruster. Dazu kommen 7 TATORTE, die von Mann-Frau oder Frau-Mann-Teams geschrieben wurden. Von allen Drehbüchern, an denen eine Frau beteiligt war, wurden folglich 12,5 % nur von Frauen (bzw. in diesem Fall von einer Frau) geschrieben. Bei den Männern sieht es anders aus: da stammen 80 % der Drehbücher mit Männerbeteiligung nur aus Männerhänden: 15 von einem Autor, 1 von einem Duo: ZÜRI BRÄNNT, geschrieben von Lorenz Langenegger und Stefan Brunner. Dieser Tatort ist ausgerechnet der erste Fall des neuen Zürich Teams mit zwei Ermittlerinnen, Isabelle Grandjean und Tessa Ott. Es ist eine vertane Chance, dass die Figuren und ihr ganzes Umfeld ohne Beteiligung einer Autorin angelegt wurden, aber darum soll es gerade nicht gehen.

Warum werden immer noch so viele Männertatortgeschichten verfilmt, warum so wenige von Autorinnen? Mit dem Begriff „Risikoaversion“ versuchte Autorin und Mitunterzeichnerin des Tatort:Drehbuch Brandbriefs Meike Hauck das Verhalten der Verantwortlichen für dieses Ungleichverhältnis zu erklären (Quelle DLF Kultur-Interview), die sagen teilweise es läge an der Qualität – aber vielleicht gibt es doch eher eine heimliche Autorinnenaversion.

Warum dürfen eigentlich so viele Frauen die TATORTE editieren, aber nicht schreiben oder photographieren? Können das Frauen besser, oder gibt es da nicht so viel Geld wie für Kinofilme – da ist der Editorenanteil deutlich höher – herrschen da stärkere Vorgaben oder was mögen die Gründe sein?

2020: Der Polizeiruf 110

Der Vollständigkeit halber den Sonntag Abend 20.15 Uhr-Sendeplatz betreffend, möchte ich noch die Polizeirufe 2020 erwähnen. 2020 wurden sechs ausgestrahlt, drei aus Magdeburg, zwei aus Rostock und einer aus dem deutsch-polnischem Grenzgebiet. Einmal führte eine Frau Regie, Brigitte Maria Bertele bei DER VERURTEILTE, sie arbeitete mit einer (der einzigen) Kamerafrau, Jana Lämmerer. Alle sechs Drehbücher wurden von Männern geschrieben – 4x alleine, einmal zu zweit, einmal zu dritt. Es gab nur Komponisten und Tonmeister. Lediglich im Schnitt finden wir eine Frauenmehrheit, fünf Frauen und ein Mann (Horst Reiter, TOTES RENNEN) editierten die sechs Polizeirufe.

Die Entwicklung der 6 Gewerke von 2011 bis 2020

Hier die 10-Jahre-Werte für die sechs Gewerke:

Tatorte 2011-20, 6-Gewerke-Check

Da die 10 Jahre-Übersicht nicht wirklich übersichtlich ist habe ich die Entwicklung der sechs Gewerke im folgenden einzeln dargestellt. Wir sehen den vermutlich durch die Zielvorgaben ausgelösten Anstieg des Regisseurinnenanteils (die Degeto gab ursprünglich 20 % vor, das wurde seit 2018 erreicht), die hohen Editorinnenanteil über die Jahre und, tja, die Werte für die anderen vier Gewerke. Zur Erinnerung die Alumni-Frauenanteile: Regisseurinnen 44 %, Drehbuchautorinnen 48 %, Kamerafrauen 25 %, Tonmeisterinnen 11 %, Editorinnen 51 %, Komponistinnen kA.

TATORTE und Einschaltquoten

Die TATORTE sind in Deutschland die Fernsehfilme mit den höchsten Einschaltquoten. Unter den Top 32 im Jahr 2020 waren 26 TATORTE und sechs Polizeirufe. Die beiden Höchstplatzierten sind Münster-TATORTE, auf Platz 3 und 4 zwei Köln-TATORTE, auf Platz 1 und 3 Folgen mit Regisseurinnen. Alle Bücher stammten von Autoren.

Der Münster-TATORT (der übrigens überwiegend in Köln gedreht wird) ist immer auf den ersten Plätzen, im Zweifelsfall ist völlig egal, ob eine Frau Regie oder Drehbuch verantwortet, eingeschaltet wird wegen der beiden Hauptfiguren, wie sie 2002 ursprünglich von Stefan Cantz und Jan Hinter entwickelt und seit dem von den Schauspielern Axel Prahl und Jan Josef Liefers interpretiert werden. Wer Münster einschaltet möchte das Münsteraner Duo sehen. Egal wer Regie macht oder das Buch geschrieben hat, ich vermute es könnten auch absolute No-Names als die Episodenhauptrollen besetzt werden, das würde den Einschaltquoten keinen Einbruch tun.

Generell ich stehe diesen Quoten skeptisch gegenüber (siehe auch Um Himmels Willen, die TV-Quoten!), und tatsächlich, was bedeutet es, dass hochgerechnet 6 oder 9 oder 12 Mio. Menschen ein Fernsehereignis eingeschaltet haben? Eigentlich nur genau das, dass sie eingeschaltet hatten. Vielleicht kann man auch noch daraus ableiten, dass es viel Werbung für den Film gab oder dass Werbung schon gar nicht mehr nötig ist, weil es ein großes Stammpublikum für den Sendeplatz oder das Format gibt. Jeden Abend um 20 Uhr kommt die Tagesschau, und Sonntags um 20.15 Uhr kommt meistens ein TATORT. Ob es mein Lieblings-TATORTteam ist – falls ich eins habe – weiß ich, aber vielleicht gucke ich einfach alle Folgen, und das machen schon sehr viele Leute. Sozusagen eine sichere Bank. Um bei dem Beispiel zu bleiben: auch wenn ein Münster-TATORT mal richtig schlecht mit unmotivierter Handlung, unscharfen Kamerasequenzen und schlechtem Ton ist, er wird trotzdem unter den Top 3 in einem Jahrgang landen und die Münsterfälle im Folgejahr auch wieder.

Zurück zu den Drehbuchautorinnen, warum ist ihr Anteil so niedrig? Fürchtet ernsthaft irgend jemand in verantwortlicher Position, dass TATORTE weniger oder gar nicht mehr geguckt werden, wenn nicht nur eins sondern richtig viele Drehbücher ausschließlich von Frauen geschrieben werden? Dass das Produkt TATORT schlechter wird? Ich wage zu behaupten: nicht schlechter, aber vielleicht anders. Aber das wissen wir nicht, denn das war ja noch nie der Fall. – Gut, ich hab nur die Daten ab 2011 ausgewertet, aber ich gehe stark davon aus, dass auch in den Jahrzehnten davor nie ein Frauenanteil von 50 % oder mehr für die Drehbücher erreicht wurde.

Aber dann lasst es uns doch einfach mal ausprobieren. Ihr habt jetzt eine Weile das Augenmerk auf die Regie gelegt, und nun ist es an der Zeit, andere Baustellen anzugehen. Also macht schon jetzt klar, dass 2022 mindestens 50 % der Drehbücher nur von Autorinnen – einzeln oder im Team – stammen müssen. Und dann sehen wir uns Anfang 2023 wieder und gucken, ob oder wie sich das positiv oder negativ ausgewirkt hat. Wenn Ihr ganz verwegen sein wollt: sendet 2023 NUR verfilmte Drehbücher von Autorinnen. Warum nicht? Die ARD ist öffentlich-rechtliches Fernsehen, also nicht von Werbung sondern gebührenfinanziert. Und eigentlich – ich wiederhole mich – dem Grundgesetz verpflichtet.

Und wenn Ihr wirklich glaubt, dass TATORT-Drehbücher von Frauen von schlechterer Qualität sind als die von Männern, vielleicht geht es gar nicht um bessere oder schlechtere sondern einfach um eine andere Qualität. Vielleicht seid Ihr es nur schon so gewohnt, male gaze-Stoffe zu lesen, dass etwas deutlich anderes Euch minderwertig vorkommt. Wenn es das nicht ist, dann sprecht mit den Filmhochschulen und findet heraus, ob angehende Autorinnen in irgendeiner Weise schlechter ausgebildet werden. Wenn es das auch nicht ist fallen mir spontan auch keine Gründe mehr ein, die gegen weniger Drehbücher von Autoren und deutlich mehr von Frauen sprechen.

Lassen sich Frauenquoten kombinieren?

Es ist natürlich die Frage was passiert, wenn sich die Sender auf einmal auf eine Autorinnenquote konzentrieren. Wird es dann weiter bei unterrepräsentierten Kamerafrauen, Tonmeisterinnen und Komponistinnen bleiben? Wie werden sich die Zahlen für Regisseurinnen verändern? Die Kunst, die Herausforderung oder schlicht das Gebot der Stunde sollte sein, auf mehreren Positionen zugleich die Unterrepräsentanz von Frauen zu beenden.

Pro Quote Bühne

Die Lobbygruppe Pro Quote Bühne hat kürzlich ein Manifest aufgestellt, in dem es unter anderem heißt:

Wir fordern eine 50% Frauen*Quote in allen künstlerischen Bühnen-Ressorts!
Das deutsche Theater nimmt gerne für sich in Anspruch, gesellschaftskritisch und innovativ zu sein, Missstände zu benennen und der Gesellschaft einen Spiegel vorzuhalten. Doch hinter der Bühne ist dieser Apparat weitgehend geschlossen und unkritisch gegenüber den eigenen Machtstrukturen. Ein solches Theater befindet sich in einem starren, stereotypen Zustand.
Wir wollen ein Theater, das die Belange aller Menschen widerspiegelt!
Ein Theater, das die Gleichberechtigung lebt und die Vielfalt an gesellschaftlichen Rollenbildern thematisiert und hinterfragt!
Wenn die Hälfte der Menschen, die künstlerisch arbeiten und damit auch unsere Gesellschaft gestalten, auf Nebenschauplätze verwiesen und klein gehalten wird, verringert dies das Potential der Ideen, Stimmen und Perspektiven und der schöpferischen Kräfte auch um die Hälfte!

Eine 50 %-Frauenquote für alle künstlerischen Berufe und für die inszenierten Stücke. Das lässt sich beispielsweise an einem Stadt- oder Staatstheater, an Privat- oder Tourneetheatern mit durchgeplanten Spielzeiten bei gutem Willen relativ einfach bewerkstelligen. Die Theaterleitung legt für die neue Spielzeit die Stücke fest und kann dabei gewährleisten, dass gleich viele Stücke von Dramatikerinnen und Dramatikern dabei sind. Außerdem könnte die Anzahl der Rollen und auch der ungefähren Textmengen grob überschlagen werden. Die Personalpolitik am Haus – wie viele Feste und wie viele Gastregisseur:innen, -szenen- und -kostümbildner:innen, -musiker:innen u.a.m. – kann paritätisch angelegt werden.

Das geht vielleicht nicht von heute auf morgen – manchmal gibt es bereits langfristige Absprachen – aber im Grunde ist es relativ gut machbar. (Was die Forderung für stark frauenlastige künstlerische Positionen wie beispielsweise  Kostümbild ist – mindestens 50 % Frauen oder 50:50 – weiß ich allerdings nicht.)

Das Prinzip #2von6

Bei Film- und Fernsehproduktionen ist das deutlich schwieriger. Bleiben wir beim Beispiel der TATORTE. Es gibt nicht eine verantwortliche Person oder Gruppe, die über alle 36 TATORTE 2020, über die Stoffe, über die Teams und über die Besetzungen entschieden hat. Es gibt verschiedene Regionalsender, Redaktionen, Produktionsfirmen – und zu dem Zeitpunkt wo eine Produktion beginnt steht auch in der Regel der Sendetermin noch nicht fest. Das heißt es gibt nicht einen Menschen der das Rezept – soundsoviel % Frauen in soundsoviel Gewerken in einem Jahr – kochen kann.

Es scheint einigermaßen zu funktionieren, wenn das Rezept nur aus einer Zutat besteht – wie die Entwicklung des Anteils an TATORT-Regisseurinnen gezeigt hat. Da wurde vermutlich von oben immer wieder darauf hingewiesen, dass Regisseurinnen verpflichtet werden sollten, vielleicht wurden Kontakte hergestellt, Namen genannt. Und so wurden erste die Zielgröße 20 % erreicht und 2020 deutlich überschritten – vielleicht war da intern schon die 40- oder gar 50 % Marke angepeilt worden, das weiß ich nicht. Bestimmte TATORTE sind immer noch ohne Regisseurin, aber das ist ein Thema für einen anderen Tag).

Ich habe auch noch keine Vorschläge mitbekommen, wie – bleiben wir bei den untersuchten Gewerken – sechs Quoten unter einen Hut gebracht werden sollten, und ich bin auch nicht sicher, ob diejenigen, die für ihr Gewerk oder für alle Gewerke Frauenquoten fordern – beispielsweise Pro Quote Film – 50 % für jedes Gewerk fordern. Und heißt das mindestens 50 % Frauen, oder 50:50 – und was würde dann im Schnitt passieren?

Wie dem auch sei, ich habe ja bereits vor längerem schon einen kleinen leicht umsetzbaren Ansatz vorgeschlagen, #2v6pN – 2 von 6 plus NEROPA. Der geht so, dass jede Produktion (die öffentliche Gelder erhält, die von einer Redaktion betreut wird, die eine Produktionsfirma plant) mindestens für zwei der sechs Gewerkspitzen von Regie, Drehbuch, Kamera, Ton, Schnitt und Musik eine Frauenbeteiligung sicherstellen muss. Also zum Beispiel eine Kamerafrau und ein Frau-Mann-Kompositionsduo. Oder eine Regisseurin und eine Editorin. Oder eine Autorin, eine Tonmeisterin und eine Editorin, denn es können ja auch mehr sein. 

Der Vorteil liegt klar auf der Hand: Jede Produktion ist gefragt, jede Produktion kann und muss den Frauenanteil erhöhen. Niemand muss von außen jonglieren („Es sind schon 20 TATORTE mit Kameramännern geplant, wie überrede ich x Produktionen, Kamerafrauen zu engagieren?“ um bspw. eine Kamerafrauenquote zu erreichen).

Die nächste Abbildung zeigt, wie viele TATORTE (in %) 2011 bis 2020 den Ansatz 2von6 erfüllt bzw. nicht erfüllt hätten – ja, das ist die große Mehrheit:

Tatorte 2011-20 2von6

2020 ist der höchste Wert erreicht, aber lasst Euch nicht täuschen, 50 % ist hier nicht die Ziellinie, sondern die ist 100 %. Alle Filme sollen in mindestens zwei der sechs Gewerke Frauen beteiligen.

Was spricht dagegen? Eine befreundete Tonmeisterin meinte, dass dann alle Produktionen Regisseurinnen und Drehbuchautorinnen nehmen werden, und die anderen – u.a.Ton – gehen leer aus. Ich halte das für sehr unwahrscheinlich. Eine Steigerung von 7 auf 36 Drehbücher mit einer (Ko-)Autorin wären toll, aber ohne Zwang („Ihr dürft nur Autorinnen nehmen„) absolut unwahrscheinlich. Das gleiche gilt für Regie. Ich bin auch gerade gespannt, ob 2021 auch wieder die 40 % Regisseurinnenquote geknackt wird, ich wage das aus verschiedenen Gründen zu bezweifeln, aber das ist gerade nicht Thema. Sondern, was gegen diesen wirklich einfach umzusetzenden und effektiven Ansatz spricht: Nun, eben die Einfachheit, oder sagen wir, dass es nur Stückwerk ist, keine Dauerlösung. Soll es ja auch gar nicht sein. Es ist ja ein Vorschlag für den Übergang, um schnelle Veränderungen zu bewirken. Nämlich mehr Frauen in den sechs Gewerken bei TATORTEN, und gleichzeitig ein Nachdenken bei den Produktionen. Solange nicht jede Produktion gefragt ist, kann der Wiesbaden-TATORT weiter von 100 % Männern produziert werden (bezogen auf diese 6 Gewerke), können andere nur eine Editorin aufweisen, aber einen ungestörten male gaze am Set umsetzen.

Und warum 2 von 6 und nicht 3 von 6? Weil die Alumnizahlen für Regie, Drehbuch und Schnitt knapp unter oder knapp über 50 % Frauen liegen, die für Kamera, Ton und Musik aber sehr deutlich darunter. Deshalb ist 2 von 6 angemessen. Außerdem ist das als erster Schritt leichter zu erreichen. Und wir mögen doch alle gerne Erfolgserlebnisse.

Ich finde es spricht sehr viel dafür, 2von6 sofort zur Pflicht zu machen, für alle Produktionen, die öffentliche Gelder bekommen – denn es ist ein Schritt hin zu mehr Geschlechtergerechtigkeit.

Schlussgedanke

Ich habe schon oft gehört, dass mehr Frauen  hinter der Kamera zu mehr Frauen vor der Kamera führen. Das zweifle ich stark an, denn die Frauen vor der Kamera – Schauspielerinnen und Stuntfrauen – sind da, weil ihre Rollen im Drehbuch stehen. Wenn hinter der Kamera eine Regisseurin, eine Kamerafrau, eine Tonmeisterin und eine Editorin agieren, das Drehbuch aber von einem Mann stammt, der keine Veränderungen duldet und wenn NEROPA noch nicht verpflichtend eingeführt ist (anderes Thema, klar), dann wird es genauso viele oder genauso wenig Frauenrollen in dem Film geben als wenn es ein Regisseur, ein Kameramann, ein Tonmeister und ein Editor wäre.

Ein zweites Gerücht lautet, dass mehr Regisseurinnen zu mehr Frauen hinter der Kamera führen. Da ist etwas dran, die Wahrscheinlichkeit, dass eine Regisseurin mit einer Kamerafrau arbeitet ist oft höher als dass es ein Regisseur tut (ich habe das mal für die Top 100 Deutschen Kinofilme ausgewertet, etwas schwierig natürlich, weil der Regisseurinnenanteil nicht sehr hoch war, aber den Trend gibt es – und den Link trage ich nach). Aber das war wie gesagt Kino und das ist ein anderer Schnack. Mir ist bei den TATORTEN schon öfter aufgefallen, dass eine Regisseurin nicht automatisch mit mehr Frauen in den anderen 5 Gewerken arbeitet. Das kann viele Gründe haben, beispielsweise, weil sie das erste Mal überhaupt einen TATORT macht, oder weil sie an einem Standort arbeitet, bei der bestimmte Gewerke seit Ewigkeiten in fester Hand sind. Vielleicht ist es für manche Regisseurinnen schwieriger, Teamfrauen zu verlangen denn „wir haben doch jetzt schon eine Regisseurin“. Und natürlich gibt es auch Regisseurinnen, die in ihrem ,festen‘ Team hauptsächlich Männer haben. 

Wenn Ihr dazu Gedanken habt, schreibt sie gerne unten in die Kommentare.

Hier zur Anregung die 2020er TATORT: Ihr seht die blauen Säulen für die Filme von Regisseurinnen und die rosanen Säulen für die von Regisseuren. Die X-Achse (das ist die horizontale, unten) hat die Größen 0 bis 4, das bedeutet, dass von den übrigen fünf Gewerken – Drehbuch, Kamera, Ton, Musik und Schnitt – 0 oder 1 oder 2 oder 3 Gewerke eine Frauenbeteiligung aufweisen. Es waren weniger Filme von Regisseurinnen. Aber Ihr könnt sehen, dass Filme von Regisseurinnen nicht häufiger das Kriterium 2von6 erfüllten als Filme von Regisseuren (das sind die Werte 2 und 3).

TATORTE 2020, Teams mit Regisseurinnen und Regisseuren