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An Actress's Thoughts

TATORT: Was vom Jahre übrig blieb

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Vor ein paar Monaten hatte ich die TATORTE 2024 zur „Sommerpause“ statistisch aufbereitet (TATORTE: Halbzeit 2024). Am 2. Weihnachtsfeiertag wird der 32. und letzte neue Fall in diesem Jahr ausgestrahlt (MADE IN CHINA – Dortmund). Heute hat die geschätzte Kollegin und Nochdresdentatortkommissarin Karin Hanczewski Geburtstag, sie wird 39 (siehe auch: Karin Hanczewski – eine Inside-Story), das nehme ich zum Anlass, meine Jahresstatistiken schon heute zu veröffentlichen. So könnt Ihr falls Ihr heute Abend den Zürich-Fall FÄHRMANN in munterer Runde seht mit SchspIN-Zitaten auftrumpfen. Oder Ihr könnt Euch mit den bunten Bildern, die am Ende auf den diesmal bemerkenswert kurzen Text folgen, die Wartezeit bis Heiligabend verkürzen.

Die beiden genannten Filme aus Dortmund und Zürich erreichen übrigens die Geschlechtergerechtigkeitsmeßlatte #2von6 nicht, aber ich will nicht vorgreifen.

2024: wie war dieser TATORT-Jahrgang?

Nun, was die Frauenbeteiligung in den sechs wichtigsten Gewerken betrifft ein deutlicher Rückschritt gegenüber dem Vorjahr. Aber um nicht so negativ zu klingen hier

Gute Nachrichten:

  • Zweistellig: 13 der 32 TATORTE 2024 erfüllen oder übertreffen die Forderung #2von6, das sind 40 %! (es müssten 100 % sein, aber immerhin).
  • (Mit meiner Prognose, dass die Frauenanteil-Jahresendwerte schlechter sein würden als die zur Sommerpause lag ich richtig, aber geschenkt. Bzw. richtige Prognosen sind doch auch gute Nachrichten?)
  • Fünf TATORTE erreichten 2024 sogar 3von6 – DEIN VERLUST / Wien,  UNTER GÄRTNERN / Münster, ANGST IM DUNKELN / Bremen, AM TAG DER WANDERNDEN SEELEN / Berlin und BOROWSKI UND DAS EWIGE MEER / Kiel.
  • Und der Bremer Tatort STILLE NACHT (8.12.24) schafft 4von6! Für Drehbuch (Daniela Baumgärtl, Kim Zimmermann), Ton (Tina Dobbertin), Montage (Dora Vaida) und Musik (Jessica de Roj, Hendrik Nölle).
  • Es geschah auch in Bremen, dass eine KamerafrauLeah Striker – die Chance bekam, einen Tatort zu inszenieren. ANGST IM DUNKELN ist erst ihre zweite größere Regiearbeit, nach der Kika-Miniserie WECKSCHRECK.
  • Sechs Fälle die nur Autorinnen geschrieben hatten wurden ausgestrahlt.
  • An zehn der 32 Drehbücher waren Autorinnen beteiligt, das ist fast schon ein Drittel!
  • Der Frauenanteil im Drehbuchbereich insgesamt lag mit 25 % deutlich höher als beispielsweise 2018 (5,5 %). 2023 waren es indes 42,3 %. Sagt ja niemand, dass der Vergleich mit dem Vorjahr sein muss.
  • Der Regisseurinnenanteil beträgt mit 28,1 % immerhin noch mehr als die Hälfte des 2023-Werts (45,7 %).
  • TATORTE sind nicht wirklich altersdiskriminierend im Regiefach (sofern es die Männer betrifft).
  • Kameramänner mit Vornamen Michael kamen 2024 nicht mehr häufiger vor als Kamerafrauen insgesamt (siehe auch The Michael Gaze). Es waren je drei Filme.
  • Editoren kommen zum ersten Mal seit ich die TATORTE analysiere (2011) über 50 %!
  • Der Komponistinnenanteil überquert erstmals (2011-24) die 15 %-Linie.
  • Und die Tonfrauen schaffen im gleichen Zeitraum ihren bisherigen Spitzenwert: 12,5 %! 28 Filmtonmeister und 4 Filmtonmeisterinnen saßen 2024 an den TATORT-Reglern.

TATORTE 2024 in Bildern

Die nächsten Analysen zeigen den 6-Gewerke-Check und die Auswertung #2von6 (d.h. an wie vielen der 6 Gewerke Regie, Drehbuch, Kamera, Ton, Montage und Musik Filmfrauen beteiligt waren. Außerdem den 6-Gewerke-Check aller TATORTE 2016-24 und einen 3-Gewerke-Check – Regie, Drehbuch, Kamera – von 2011-24. Regie, Drehbuch und Montage zeigen in diesem Jahr deutlich niedrigere Frauenanteile als in den Vorjahren. War es das schon wieder mit dem Anstieg der Filmfrauenbeteilung? 

Kleine Randbemerkung: die sieben Bavaria-TATORTE 2024 kommen im Mittelwert auf 1,1 Gewerke von 6 mit Frauenbeteiligung. Da wusste ich nicht so genau, wie ich das unter den guten Nachrichten unterbringen sollte. Aber ich denke weiter darüber nach.

Das letzte Bild zeigt die Altersverteilung der 9 Regisseurinnen und 23 Regisseure. Hier gibt es eine gewisse Ungenauigkeit, denn ich kann nicht die Alter zu Drehbeginn – der mitunter zwei Jahre vor Erstausstrahlung liegen kann – vergleichen. Was ich also in dieser Auswertung berücksichtige ist das Alter zum Jahresende vor der TV-Premiere, in diesem Fall also am 31.12.23.

Die Regiealtersanalyse 2024 zeichnet ein eindeutiges Bild, Regisseurinnen über 55 Jahren wurden nicht mehr engagiert. Allerdings sind 32 Filme für so eine Aussage etwas wenig, deshalb habe ich die TATORTE 2020 bis 2023 auch noch analysiert, wie die nächsten Bilder (inklusive 2024) zeigen. Ein ähnlicher Trend wird deutlich, ältere Männer jüngere Frauen.
Dazu eine Anmerkung: es gab ganz wenige Regisseur:innen, deren Geburtstag oder -jahr ich nicht finden konnte, ich glaube es waren fünf insgesamt für fünf TATORT-Jahrgänge. Diese habe ich angeschrieben. Leider hat nur einer geantwortet. Dafür umso herzlicheren Dank! Dies ist die Reihe, ergänzt um zwei Abbildungen, die anteilig die Regisseur:innen unter (= bis) 50 Jahren und über 50 Jahren zeigen (prozentual bezogen auf das jeweilige Geschlecht, nicht auf alle insgesamt). :

Was ist denn eigentlich das Problem mit älteren Regisseurinnen, über 50 oder 55? Die vielleicht schon andere Fernsehfilme und -krimis gedreht haben. Haben die trotz Alter zu wenig Erfahrung? Oder wollen die keine TATORTE (mehr)? Sind die schon im Vorrundestand? In Familienzeit, weil sie jetzt die Eltern und Schwiegereltern pflegen? Mögen Redakteur:innen lieber sehr junge Regisseurinnen, weil die leichter zu, äh, was, lenken sind? Nehmen die eher ,Ratschläge’ an? Und was ist mit den älteren aus den Vorjahren, fallen die raus? Ich weiß es nicht. 

En passant habe ich auch untersucht, welche Regisseur:innen oder Autor:innen wie häufig in den fünf Jahrgängen engagiert waren. Aber das ist ein Thema für einen anderen Tag, dann blicke ich vielleicht doch auch zehn Jahre zurück.

Zu Beginn dieses Textes sprach ich von Karin Hanczewski, die heute Geburtstag hat. Und die in Dresden im TATORT-Team Ermittlerin ist. Ein zwei Kommissarinnen-Duo. Das aber von Anfang an einen allzeit präsenten Vorgesetzten bekam. Ganz anders als das aktuelle Saarbrücken-Duo, das aus zwei Kommissaren besteht. Ohne einen dominanten Aufpasser dazu. Die beiden Saarbrücker waren wenn ich das gerade richtig erinnere bei ihrem ersten Fall so alt wie die Dresdnerinnen zu Beginn. Aber sie hatten einen höheren Rang. Beide. Also beide Männer. Gibt es da eine Parallele zu der Regiealtersfrage, irgendwie? Wer weiß. Bei TATORTEN gehen ja auch eher Kommissarinnen in Rente als Kommissare…

Soviel für heute und für das Jahr 2024. Ich fürchte auch 2025 wird es wieder TATORTE geben, bei denen viel, sehr viel im Argen ist, die #2von6 nicht erreichen, die eine Anhäufung von Stereotypen sind und auch sonst fragwürdig. Die besser sein könnten und sollten, sowohl in der Produktion, also auch in den Geschichten, in der Umsetzung und und und. Aber vielleicht gibt es doch den einen oder anderen guten, wäre schön. 

(Alle Zahlen wie immer ohne Gewähr. brs)

Ein guter Ausblick

Da es jenseits der TATORTE auch in Deutschland Fernsehkrimis gibt die gut sind, möchte ich Euch einen anderen Krimi, eine Miniserie / 4-Teiler empfehlen, SPUREN, die glaube ich erst im Februar im Ersten ausgestrahlt werden. Ich hab sie schon gesehen und kann sagen, dass das ein besonderer Krimi ist, ein richtiger Ermittlungsfilm, der nicht zuletzt durch eine sehr gute – und leider für Deutschland zu seltene – filmische Umsetzung des Leichenfunds und der Szene in der Gerichtsmedizin (heißt das so?) besticht. Kamera Ahmed El Nagar. Aber dazu mehr im neuen Jahr. 

Euch allen einen guten Rutsch und überhaupt!

 

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