SchspIN

Gedanken einer Schauspielerin

Der kleine Mann und die kleine Miss

Kleine Kinder

Kennt Ihr das? Leute sprechen von einem Baby oder Kleinkind, und wenn es binär einzuordnen ist, sagen sie Kleiner Mann oder Kleine Maus. „Oh, der kleine Mann ist aber süß / schüchtern!“ und „Oh, die kleine Maus ist aber müde / munter!“ Ich will jetzt gar nicht über die möglichen zugeschriebenen Eigenschaften sprechen, sondern nur über die Begriffe. Kleiner Mann beziehungsweise Kleine Maus. Manche Mütter oder Väter sprechen sogar von ihrem kleinen Sohn und ihrem Partner als „meine beiden Männer“. „Meine beiden Mäuse“ für Partnerin und kleine Tochter habe ich hingegen noch nie gehört. („Meine beiden Frauen“ auch nicht, lediglich einmal „meine Mädels“).

Also, der männliche Säugling, das männliche Kleinkind oder Kind ist ein Mann, aber eben erstmal nur ein kleiner. Wird der Junge älter, heißt er manchmal Großer oder Junior. Und später ist er irgendwann ein richtiger Mann. Grundsätzlich reicht ein Penis, um aus einem kleinen Kind einen (kleinen) Mann zu machen. Er ist wie sein Vater ein Mann, nur eben kleiner.

Das weibliche Baby, Kleinkind oder Kind ist eine Maus, eine kleine Maus oder eine Mäuschen. Was ist wenn sie größer wird? Ist sie dann eine große Maus? Eine Springmaus oder eine Ratte? Wann wird sie eine Frau, so wie ihre Mutter? Und gibt es auch die Zwischenstufe „kleine Frau“? Das habe ich in Bezug auf Mädchen allerdings noch nie gehört. Für das Mädchen (Genus neutrum!) reicht eine Vagina nicht, um sie zur (kleinen) Frau zu machen. Warum? Klingt das komisch, fühlt es sich seltsam an, von einem neugeborenen weiblichen Menschen als (kleine) Frau zu sprechen? Klingt das zu sexuell, nach entwickelten Brüsten, nach Geschlechtsreife? Oder ist „kleine Frau“ einfach eine veraltete Umschreibung für brave, fleißige Hausfrau?

Buchklassiker von kleinen Männern und Mäusen

In der Twittersphäre las ich mal von einem, der seine Teenagerkinder als Junior und Prinzessin bezeichnete. Mit dem Junior machte er tolle Sachen, nahm ihn zu Rockkonzerten mit, schenkte ihm eine E-Gitarre, und war sehr stolz, dass der Sohn seinen Musikgeschmack teilte. A chip of the old block, wie die in GB gerne sagen. Und die Tochter? Tja. Nichts. Wenn er mit ihr auch etwas unternahm dann schrieb er zumindest auf twitter nicht darüber. Einmal twitterte er, dass er sich mit einer Flinte auf die Lauer legen würde wenn seine Prinzessin jemals ,einen mit nach Hause bringt‘. Gut, oder vielmehr nicht gut. Junior und Prinzessin.
Seltsam finde ich übrigens auch, dass
Puppe oder Püppchen nur für Mädchen und junge Frauen verwendet wird. Dabei gibt es doch jede Menge Puppen auch für und von Jungen, und damit meine ich nicht nur männliche Handpuppen wie Zauberer, Räuber, Seppel,  Kasperle und König.

Sex sells

Diese Kleiner Mann–Kleine Maus-Nummer erlebe ich mitunter auch bei Eltern, die sich grundsätzlich Gedanken über Geschlechterrollen machen, die nicht automatisch kleine Mädchen rosa und lila-pink anziehen und alle anderen Farben den Jungen vorbehalten, die nicht der Tochter eine Prinzessinnenschultüte kaufen und dem Sohn eine mit Astronaut, Superheld, Bauarbeiter und Fußballer drauf. Auch da heißt es kleiner Mann und kleine Maus. Nicht immer natürlich. Aber erstaunlich häufig.
Warum nicht ein Kind ein Kind sein lassen und es nicht zu einem kleinen Erwachsenen machen? Nichts gegen Kosenamen, schon gar nicht gegen tierische Kosenamen. Nur wenn es eine so deutliche Junge-Mädchen-Trennung gibt bekommt etwas wie Mann/Maus einen komischen Beigeschmack.

Ich hatte letztens einer englischen Freundin, Mutter eines Sohns und einer Tochter, von dem Kleiner Mann-Kleine Maus-Phänomen erzählt, sie war sehr erstaunt, weil es Vergleichbares in der englischen Alltagssprache so nicht gibt. Da gibt es aber leider andere Möglichkeiten, durch Sprache Jungen und Mädchen unnötig zu trennen.  Hier der englische Comedian und TV-Moderator Russell Howard mit seinem Kommentar (5:39 min) Why are girls‘ toys patronizing und shit? (Warum sind Mädchenspielsachen bevormundend und Scheiße?) aus seiner Sendung The Russell Howard Hour, 2017. Aber das ist eigentlich ein Thema für einen anderen Tag.

Was also tun?

Seid erfinderisch, und denkt Euch was aus für Eure Kinder! Oder für die Kinder anderer Leute, denn „oh sieh mal, der kleine Mann läuft ja schon!“ sagen auch Außenstehende. Wie wäre es mit Kleiner Hamster und Kleine Maus? (Hamster passt sowieso gerade zu Säuglingen (sic!) sehr gut, wenn ich da an Bäckchen denke). Oder (kleiner) Junge und (kleine) Deern? Oder ganz neutral für alle Geschlechter Kind bzw. Kindchen? Lasst Kinder Kinder sein! Und wenn es schon kleine Erwachsene sein müssen, vielleicht  Kleiner Mann und Kleine Miss?