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Gedanken einer Schauspielerin

Kommentar im Politischen Feuilleton von Deutschlandfunk Kultur

Am 1. Februar hörte ich im Radio mit halbem Ohr die Literatursendung LESART auf Deutschlandfunk Kultur. Mein Eindruck, dass es sich um eine ziemliche Männersendung handelte, wurde durch einen Blick in das Programm bestätigt, und ich twitterte mein Unverständnis über die Einseitigkeit: keine Autorinnen, keine Rezensentinnen, 0 Frauen, 7 Männer:

Einige Wochen später wurde ich von Tarik Ahmia von der DLF Redaktion Hintergrund Kultur und Politik kontaktiert, der mich um einen Kommentar für das Politische Feuilleton bat. Empfohlen worden war ich ihm von der LESART-Redaktion, die auch meinen Tweet bereits reagiert hatten: Wir bemühen uns um ein vielfältiges, ausgewogenes Programm, auch bei der Frage nach dem Geschlecht von Autoren / Autorinnen und Rezensentinnen / Rezensenten. Zu unserem Bedauern lässt sich das aber im Tagesgeschäft nicht immer umsetzen. Wir sind dran!“

Mit freundlicher Zustimmung von DLF heute mein Kommentar,  der auf der DLF-Seite auch als Podcast gehört werden kann:

Frauenrollen in Film und Fernsehen – Das Klischee lebt

„Wird sie ermordet oder ist sie eine Prostituierte?“ Abgesehen von ein paar Leuchtturmprojekten der Frauenförderung sieht die Frauenrealität in Film und Fernsehen trist aus, kritisiert Belinde Ruth Stieve: Jung soll Frau sein, hübsch, schweigsam – oder tot.

Film und Fernsehen könnten mehr, aber wann fangen sie damit an? Es gibt diesen Witz, wo ein kleiner Junge seinen Vater fragt: „Können Männer auch Bundeskanzlerin werden?“
Was wir erleben, was wir sehen und was nicht, das prägt uns, unser Denken, unsere Sicht auf die Welt: Wenn im Fernsehen Querschnittsgelähmte überwiegend sterben wollen, schwarze Deutsche nur als Taxifahrer vorkommen, arabisch-deutsche Männer als Drogendealer oder Mörder, türkisch-deutsche junge Frauen mit Kopftuch und von den Männern ihrer Familie unterdrückt, Polinnen als Prostituierte – und Frauen generell nur jung und hübsch und idealerweise wortarm oder tot gezeigt werden, dann wissen Angehörige dieser Gruppen zwar, dass das nicht zutrifft beziehungsweise nur einen kleinen Ausschnitt ihrer Vielfalt zeigt. Aber viele andere nehmen das als Realität an, die es so nicht gibt.
Etwa was Frauen betrifft: Wir machen in allen Altersgruppen die Hälfte unserer Gesellschaft aus, aber Film und Fernsehen zeigen im Fiktionalen locker doppelt so viele Männer. Frauen verkörpern meist kleinere untergeordnete Rollen und sind schwerpunktmäßig auf das Alterssegment unter 40 beschränkt. Männer reden, Frauen hören zu, Männer handeln, Frauen sehen gut aus. Das ist seit Jahren, seit Jahrzehnten so und empirisch belegt, eine Veränderung ist längst überfällig.

Mehr Regisseurinnen, weniger Drehbuchautorinnen

Hinter der Kamera sieht es ähnlich desolat aus. Wobei ein bisschen Frauenförderung zur Zeit en vogue zu sein scheint. Nehmen wir die „Tatorte“:
Die bekamen kürzlich eine 20 Prozent Zielvorgabe für Regisseurinnen verordnet. Und diese Zahl wurde auch fast erreicht mit knapp 19 Prozent in den letzten beiden Jahren. Das ist nicht die Welt angesichts 44 Prozent Regieabsolventinnen an den Filmhochschulen, aber ein erster Minischritt. Der aber wohl Nebenwirkungen mit sich brachte, denn gleichzeitig wurden immer weniger Drehbuchautorinnen an die „Tatorte“ gelassen. In Zahlen ausgedrückt: In den letzten drei Jahren lagen die Männeranteile unten den für die Drehbücher Verantwortlichen bei 94, 88 und 87 Prozent. Es wird also mal eben auf die Hälfte des Talents verzichtet, auf die Hälfte der Kreativität, denn tatsächlich liegt der Frauenanteil in der Drehbuchausbildung bei fast 50 Prozent.

Genau wie bei „Filmen von Frauen“ meist nur auf die Regie geguckt wird, stehen bei der Besetzung oft nur die Hauptrollen im Fokus. Deshalb haben wir jetzt eine Reihe überwiegend junger – neuer „Tatort“-Kommissarinnen. Und bekommen Kinoblockbuster mit einer jungen Protagonistin. Doch der Rest der Besetzung bleibt männerdominiert, die Geschichten männerzentriert und die Bildsprache ebenso. Das „Altbewährte“ eben. Nur hat das Publikum, haben wir alle nicht allmählich etwas Neues, etwas Besseres verdient?

Das Publikum hat Besseres verdient

Film und Fernsehen müssen nicht die Wirklichkeit abbilden, sie können neue Welten erschaffen, die besser sind, weiter, anders. Natürlich auch Gesellschaften, die schlimmer sind als unsere. Sie können aber auch unsere Welt in all ihrer Vielfalt zeigen und mit den ewigen Stereotypen und Klischees brechen. Das Frauenbild der 1950er-Jahre hat in Gegenwartsfilmen ausgedient. Ebenso die Alternative „Wird sie ermordet oder ist sie eine Prostituierte?“ Frauen können mehr. Frauen machen mehr. Und das Publikum – egal welchen Geschlechts – ist daran gewöhnt, in allen gesellschaftlichen Bereichen des echten Lebens auf die unterschiedlichsten Frauen zu treffen. Sogar im Bundeskanzlerin-Amt. Also bitte: „Und Action!“.

Zum Podcast: DLF Politisches Feuilleton – klick!

 

Haus des Rundfunks, Berlin Hans-Rosenthal-Platz. Dort entstand die Tonaufnahme für DLF Kultur