SchspIN

Gedanken einer Schauspielerin

WIFT und SchspIN zu 50 Jahre TATORT. Folge 3: Drehbuch

Exklusiv für WIFT Germany betrachte ich die Liste der 50 potenziellen Wunsch-Tatorte (siehe ARD-Webseite) zum 50. Geburtstag dieser Sonntagabendkrimireihe mit der Filmfrauenlupe. Die Texte erschienen zunächst über die sozialen Kanäle von WIFT Germany bei Instagram und Facebook, anschließend etwas ausführlicher hier.

Herrentorte für die TATORT-Drehbücher

Die Wunschtatorte

Bei den 50 Wunsch-Tatorten machen die Drehbuchautorinnen 15,2 % aus, das sind zwei Stück Torte, ein normales und ein etwas kleineres. 5 TATORTE wurden von Frauen geschrieben: TODESBRÜCKE von Frauke Hunfeld (Berlin 2005), IM TOTEN WINKEL von Katrin Bühlig (Bremen 2018), DER FALL REINHARDT von Dagmar Gabler (Köln 2014), FRÜHSTÜCK FÜR IMMER auch von Katrin Bühlig (Leipzig 2014) und VERSCHLEPPT von Khyana el Bitar und Dörte Franke (Saarland 2012). Dazu vier weitere Folgen mit FrauMann-Schreibduos. Die übrigen 41 Tatorte stammen von Männern. Das heißt die absolute Mehrheit der Geschichten, der Episodenfiguren, der Dialoge haben sich Männer ausgedacht.

Das ist aber kein Phänomen, das nur die quotenstärkeren TATORTE, die ja als potenzielle Wunsch-TATORTE gelistet sind, betrifft. Einen ähnlich niedrigen Frauenanteil weisen die TATORT-Drehbücher 2011 bis 2019 mit einem Durchschnittswert von 14,9 % auf. Dieses frappante Ungleichgewicht brachte im Frühjahr 2019 Drehbuchautorinnen auf den Plan, die die Initiative Tatort: Drehbuch gründeten und sich in einem offenen Brandbrief an die ARD-Sender wandten. Hierin forderten sie unter anderem eine formatübergreifende Drehbuch-Quote von 50/50 bis 2021, und sie kündigen die Initiierung eines Runden Tischs für einen gemeinsamen Handlungsplan 2019 bis 2021 an. (siehe auch Warum arbeitet Ihr nicht mit Drehbuchautorinnen?). Die Antwort, dass nur nach künstlerischer Qualität entschieden würde und sich Kreativität nicht quotieren lasse, erklärt nicht wirklich die enorme zahlenmäßige Diskrepanz zwischen Autorinnen und Autoren. Die Tatort: Drehbuch-Frauen schrieben im November 2019 einen weiteren Offenen Brief, der bislang leider noch nicht viel Resonanz bekam.

Im Vergleich: Die TATORTE 2011 bis 2019

Die nächste Abbildung zeigt den Frauen- und Männeranteil für die TATORTE 2011 bis 19, sowie in der letzten Spalte für das erste Halbjahr 2020. Der niedrigste Wert für die Drehbuchautorinnen – 5,5 % – wurde gerade erst 2018 erreicht – also nachdem die Bemühungen um mehr Regisseurinnen in vollem Gang waren. Der niedrigste Wert für die Autoren  – 71,7 % – stammt aus dem Jahr 2016. Nur zur Erinnerung: an den Filmhochschulen machen im Fach Drehbuch durchschnittlich 48 % Frauen und 52 % Männer ihren Abschluss. Aber die Frauen kommen bei den TATORTEN nicht zum Zug.

Ausblick:

Und was die 2020er TATORTE betrifft, die im ersten Halbjahr eine Regisseurinnenquote von 47,6 % hatten: sie bleiben weiter ein Drehbuch-Männerclub. An fünf von 21 TATORTEN waren Autorinnen beteiligt, kein einziger wurde nur von einer Frau oder einem Frauenteam verfasst. Bei einer Männerquote von 81,5 % fällt es schwer,  einen Willen zu Veränderung, Chancengleichheit und Erzählvielfalt zu erkennen.

Die letzte Abbildung stellt Regie und Drehbuch gegenüber. Von 2011 bis 2016 ist der Drehbuchautorinnenanteil höher als der der Regisseurinnen. Wir sehen außerdem, dass ab dem Moment, wo der öffentliche und senderinterne Fokus stärker auf Regie lag, eine Frauenquote zunächst für diesen Bereich gefordert und diskutiert wurde und die Degeto von eigenen Zielvorgaben sprach, sich das Verhältnis umkehrte. 2017 bis heute liegt der Frauenanteil für Drehbuch deutlich bis sehr deutlich unter dem für Regie. Für das erste Halbjahr 2020 sind das fast 30 Prozentpunkte Unterschied. Das ist keine gute Entwicklung denn es sollte nicht um entweder – oder gehen, sondern um sowohl – als auch.

Wir brauchen im 51. TATORT-Jahr endlich mehr Geschichten, die von Frauen erzählt werden. Wir brauchen einen Wandel in der Perspektive. Und eine Quote oder Zielvorgabe nur für ein Gewerk – in der Regel ist dies Regie – reicht nicht, um diverse Geschichten zu bekommen, die unsere vielfältige Gesellschaft widerspiegeln. Das Schlusswort überlasse ich gern den Tatort: Drehbuch-Autorinnen:

Die Deutungshoheit darf nicht ausschließlich in den Händen unserer männlichen Kollegen liegen. Frauen sind keine gesellschaftliche Minderheit, doch der öffentlich-rechtliche Rundfunk macht sie zu einer.“