SchspIN

Gedanken einer Schauspielerin

WIFT und SchspIN zu 50 Jahre TATORT. Folge 4: Kamera

Exklusiv für WIFT Germany betrachte ich die Liste der 50 potenziellen Wunsch-Tatorte in der Sommerpause (siehe ARD-Webseite) zum 50. Geburtstag dieser Sonntagabendkrimireihe mit der Filmfrauenlupe. Die Texte erschienen zunächst über die sozialen Kanäle von WIFT Germany bei Instagram und Facebook, anschließend etwas ausführlicher hier.

Kamera: TATORTE brauchen mehr Frauen-Blick

Macht es einen Unterschied, ob ein Mann oder eine Frau für die Bildgestaltung eines Krimis verantwortlich ist? Entsteht der weibliche oder männliche Blick (auch) durch die Kameralinse? Und wer entscheidet über die Besetzung dieser Teamposition?

Die ersten beiden Fragen lassen sich mit Ja, bzw. Ja auch beantworten. Die dritte Antwort ist weniger eindeutig, mal darf die Regie aus einer Vorschlagsliste auswählen, mal jemanden mitbringen und mal wird jemand quasi vorgegeben. Klarer ist, wer durch die TATORT-Linsen blickt, es sind überwiegend Männer. Das ist angesichts 75 % männlicher Kameraabsolventen an den Filmhochschulen vielleicht nicht so überraschend, etwas anderes allerdings schon.

Nehmen wir die 50 Wunschtatorte, hier finden sich lediglich drei mal Kamerafrauen, das sind 6 % der DoP‘s: Christine A. Maier (BOROWSKI UND DAS MEER und ANGEZÄHLT) und Birgit Gudjonsdottir (FRÜHSTÜCK FÜR IMMER). Sie teilen sich ein kleines Stückchen Kuchen, – und sie arbeiteten alle in Filmen von Regisseurinnen (2 x Sabine Derflinger und 1 x Claudia Garde). Die vierte Regisseurin, Christine Hartmann (TODESBRÜCKE) und die 46 Regisseure hatten Männer hinter der Kamera.

Wollen oder können Männer nicht mit Kamerafrauen arbeiten? Oder zumindest nicht in quotenstarken Filmen? Ein Vergleich bringt Aufschluss:

Von 2011 bis 2020 (erstes Halbjahr) gab es 360 TATORT-Premieren. In diesen kamen 51 Regisseurinnen und 315 Regisseure, sowie 30 Kamerafrauen und 328 Kameramänner zum Einsatz. 2015 und 2018 gab es in keinem der 77 TATORTE eine Kamerafrau.

Ansonsten wird die Tendenz der Wunsch-TATORTE bestätigt: Regisseure arbeiten fast nie mit Kamerafrauen zusammen, Regisseurinnen schon. Mehr als ein Viertel der Regisseurinnen (27,6 %) aber weniger als jeder 20. Regisseur (4,1 %) hatte eine Kamerafrau. Egal ob es ein angesagtes Ermittlungsduo war oder nicht. Da herrscht noch jede Menge Nachholbedarf bei den Sendern, vielleicht kann auch ein Rechercheblick auf die Webseite der Cinematographinnen, dem Zusammenschluss deutscher Kamerafrauen, helfen.

Dass auch Filme mit Kamerafrauen erfolgreich sind zeigt das gerade stattgefundene 77. Filmfestival in Venedig: Im Wettbewerb laufen Filme von 8 Regisseurinnen und 11 Regisseuren. Jasmila Žbanić, Julia von Heinz und Susanna Nicchiarelli drehten mit den Kamerafrauen Christine A. Maier, Daniela Knapp und Crystel Fournier. Sie sind allerdings die einzigen Kamerafrauen in 18 Wettbewerbsfilmen.

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