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Gedanken einer Schauspielerin

Filmfest München 21: Neues Deutsches Kino & Fernsehen

Vom 1. bis 10. Juli 2021 fand das diesjährige Filmfest München statt, in echt, in einer Open-Air-Ausgabe. Vier Ehrungen wurden vorab bekannt gegeben, Senta Berger und Robin Wright erhielten den CineMerit Award, Franka Potente den Margot Hielscher Preis und Małgorzata Szumowska sozusagen die Homage (Das cineastische Quartett).

Eine Bekannte schlug vor, ich solle einmal die Sektionen Neues Deutsches Kino und Neues Deutsches Fernsehen betrachten, insbesondere hinsichtlich der Drehbuchautorinnen, – gerne doch!

Neues Deutsches Kino & Neues Deutsches Fernsehen beim FFM

Alle Filme in der Sektion Neues Deutsches Kino wurden von einem Auswahlgremium bestimmt, wohingegen für die Neues Deutsches Fernsehen-Reihe die Sender Filme vorschlagen können. Was für beide Gruppen gilt ist, dass es sich um Premieren handeln muss, mindestens Deutschlandpremieren, idealerweise Europa- oder Welturaufführungen.

Das führt dazu, dass die Kinofilme überwiegend frühe Filme, also erste, zweite oder dritte Film von den jeweiligen Regisseur:innen oder Produzent:innen sind, – denn wer schon etabliert ist, will den Film vermutlich lieber in Berlin, Tokyo, Toronto oder Cannes zeigen. Für Fernsehfilme sieht es anders aus, da muss das Festival bloß vor der Erstausstrahlung liegen.

Die folgende erste Abbildung zeigt die Frauen und Männer an der Spitze der Gewerke Drehbuch und Regie für die zwölf Filme in der Reihe Neues Deutsches Kino – mit einer Frauenmehrheit in beiden:

 

FFM: Neues Deutsches Kino, Frauen und Männer in Regie und Drehbuch

Die zweite Abbildung zeigt die Frauen und Männer an der Spitze der Gewerke Drehbuch und Regie für die dreizehn Filme in der Reihe Neues Deutsches Fernsehen, hier sind jeweils die Männer in der Überzahl.

FFM: Neues Deutsches Fernsehen, Frauen und Männer in Regie und Drehbuch

Die dritte Abbildung schlüsselt die Autor:innenschaft für die Kino- und Fernsehrubriken genauer auf. Wurden sie einzeln oder in Teams geschrieben, und falls letztes, mit welcher Zusammensetzung. Die Mehrheit der Bücher wurde von Einzelpersonen verfasst – was jetzt auch nicht so überraschend ist:

FFM: Drehbuchteams und Einzel für Neues Dt. Kino und Fernsehen

Deutliche Unterschiede oder Zufälle

Wir konnten also feststellen, dass in den beiden Sektionen sehr unterschiedliche Zustände herrschen, bei den Kinofilmen ist der Frauenanteil sowohl im Drehbuch als auch in der Regie höher, deutlich über 50 %, und bei den Fernsehfilmen liegt der Männeranteil in beiden Gewerken deutlich über 50 %. Ich erwähnte ja schon, dass die ausgewählten Kinofilme ,frühe Filme‘ in den jeweiligen Karrieren sind – für die Fernsehfilme gilt das nicht, es finden sich hier sowohl im Drehbuch als auch in der Regie eine Reihe älterer und etablierterer Filmleute.  Interessant ist auch die Tatsache, dass von allen Kinofilmen nur bei einem Film (LIEBER THOMAS) die Regie nicht am Drehbuch beteiligt bzw. das Drehbuch alleine verfasst hatte. Bei den Fernsehfilmen gibt es wiederum nur einen Film (GELIEFERT), bei dem Drehbuch und Regie in einer Hand lagen.

Allerdings: es sind insgesamt bloß 25 Filme, das ist keine unangreifbare Repräsentativität (falls es diesen Begriff gibt, – falls nicht: Tadaa! ich habe ihn soeben erfunden).

Und vor der Kamera

Bei meinem letzten Text – oder den letzten beiden? – habe ich nur Positionen hinter der Kamera betrachtet und nicht die Rollenverteilung, was von verschiedenen Seiten angemahnt wurde.  Deshalb heute die Erstgenannten Rollen und die Hauptcasts (so wie sie auf der FFM-Webseite der Filme angegeben sind).

FFM: Neues Deutsches Kino / Fernsehen:Erstgenannte Rollen und Hauptcast.

Interessant: bei den Kinofilmen überwiegen Männer im Zentrum (= männliche Erstgenannte Rollen), im Fernsehen Frauen. Ich weiß zu wenig über die Fernsehfilme und über auch die anderen Fernsehfilme, die womöglich eingereicht wurden, um das sinnvoll interpretieren zu können.

Bei den Hauptcasts, den wichtigsten Rollen, ist es in der Gesamtheit der jeweiligen Gruppe umgekehrt, bei den Kinofilmen liegen der Frauenrollenanteil über 50 %, im Fernsehen unter 50 %. Ersteres könnte mit dem hohen Frauenanteil unter den Drehbuchautor:innen zusammenhängen, und letzteres mit dem Phänomen „jetzt gibt es eine weibliche Hauptrolle, das reicht doch“ – und könnte sich eventuell durch den Einsatz von NEROPA ändern. Aber das ist ein Thema für einen anderen Tag. 

Die letzte Abbildung zeigt die Altersspannen für die weiblichen und männlichen Rollen, bzw. eher gesagt die besetzten Schauspielerinnen und Schauspieler, für beide Filmreihen.

FFM: Neues Deutsches Kino / Fernsehen. Altersspanne Erstgenannte weibliche und männliche Rollen.

Im Neuen Deutschen Kino gab es keinen Erstgenannten Schauspieler über 60, allerdings zwei Schauspielerinnen: Corinna Harfouch (62) und Ulrike Willenbacher (65), der älteste Schauspieler war Christoph Kaiser (56). Im Fernsehen gab es eine Schauspielerin über 70 (Maren Kroymann), der älteste Schauspieler ist Joachim Król (63).

Dass im Kino Rollen insgesamt jünger sind als im Fernsehen hatte ich zumindest für die Erstgenannten vor vielen Jahren schon einmal festgestellt (Alter: Ein Bild sagt mehr als 1000 Worte). Aber auch wieder: es sind in diesen FFM-Reihen wirklich nicht viele Filme, also sollten wir vorsichtig sein, irgendwelche verbindlichen Schlüsse zu ziehen.

Was allerdings interessant sein könnte: ein Vergleich der Neuen Deutschen Kino- und Fernsehfilme des Filmfests München der letzten 20 Jahre. Aber das ist eine Aufgabe für einen anderen Tag.

Ergänzung 29.7.:  vor mittlerweile sechs (!) Jahren hatte ich die Filme von Regisseur:innen innerhalb von sieben Jahren nach ihrem Abschluss an einer Filmhochschule / der Teilnahme an den First Steps Awards untersucht (Als Hannu Salonen anfing, Fernsehkrimis zu drehen). Damals fand ich heraus, dass innerhalb dieser Zeit alle ungefähr einen Kinofilm inszenierten (der Wert für die Regisseurinnen lag etwas über 1, der für die Regisseure etwas unter 1), allerdings die Regisseure doppelt so häufig für das Fernsehen arbeiteten als ihre Kolleginnen. Es würde Sinn machen, diese Untersuchung zu ergänzen um die Alumni danach. Danke Kathrina Palm für diese Anregung!

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