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Gedanken einer Schauspielerin

3-Gewerke-Check für zwölf deutsche Filmfestivals, 2019-21

12 Filmfestivals 2019-21: Frauenanteile Regie, Drehbuch, Kamera im Wettbewerb

Zum Jahresanfang möchte ich eine Filmfestivalanalyse vorlegen. Sie behandelt die Frauenanteile in den Gewerken Regie, Drehbuch und Kamera – 3-Gewerke-Check – in den Hauptwettbewerben von zwölf deutschen Filmfestivals.

Zwischenzeitlich habe ich erwogen, außerdem die Position Musik auszuwerten. Aber da Musik ähnlich wie Ton sehr unvollständig aufgeführt wird (sowohl auf Filmwebseiten als auch in Datenbanken) ist die Recherche sehr aufwändig und sprengt gerade den Rahmen meiner Kapazitäten.

Die erste Tabelle zeigt die Festivals und die Anzahl ihrer Wettbewerbsfilme in den drei untersuchten Jahren. Mehrheitlich sind es Spielfilme, die Zahl der Dokumentarfilme steht in Klammern:

Die Auswertung

Methode

Die meisten Festivals stellen auf ihren Webseiten, oft im digitalen Archiv, Programmhefte oder Filmlisten zur Verfügung aus denen zumindest die Filmtitel und oft auch die Regie ersichtlich sind. Öfters gibt es ausführlichere Angaben, neben Inhaltsangaben und einer Kurzbiographie der Regisseur:innen oft auch weitere Teampositionen. In einigen Fällen haben mir freundliche, hilfsbereite Mitarbeiter:innen Listen oder Links geschickt. (Alle Anfragen wurden prompt beantwortet!).

Die Angaben zu den drei Gewerken konnte ich meistens über die IMDB-Datenbank ergänzen, die Frage nach dem Geschlecht der Filmschaffenden ging zum Teil aus den Kurzbiographien auf den Festivalseiten hervor (Regie), ergänzt aus IMDB (Drehbuch und Kamera), und manchen Filmwebseiten, Interviews bzw. weiteren Onlinerecherchen.

Es ist mir bei den insgesamt 401 Wettbewerbsbeiträgen lediglich zweimal nicht gelungen, eine Position zu ermitteln, beide Male war es die Bildgestaltung. Das sind 0,5 % aller (401 x 3) Positionen. (Das sind nur die Langfilme, d.h. ohne die Kurzfilmtage Oberhausen gerechnet, bei denen 153 Filme in den Wettbewerben liefen.)

Bei manchen Dokumentarfilmen waren nur Regie und Kamera zu finden, egal wie gründlich ich suchte. In diesen Fällen habe ich die Regieeinträge für das Drehbuch übernommen.

Eine Lücke in der Tabelle findet sich bei den Hofer Filmtagen. Dort gibt es keinen Wettbewerb im herkömmlichen Sinne, sondern: „Es muss der erste abendfüllende Spielfilm (Langfilm) einer Filmemacherin oder eines Filmemachers sein. Nach diesem Kriterium sichten die Hofer Filmtage alle eingereichten Filme (…)“ (Auskunft Sabine Reiter, Bayr. Akademie der Schönen Künste). Die entsprechenden Listen liegen leider dem Festivalbüro nicht abrufbar vor, auf der Webseite sind sie auch nicht zu finden. Mir wurde zugesagt, dass ich die Informationen noch bekomme, ich werde dann diese Auswertung ergänzen.

Eine weitere Lücke in der Tabelle liegt daran, dass 2020 kein Filmfest München stattfand. Andere Festivals wurden online durchgeführt und hatten gegenüber präpandemischen Jahren einen kleineren Wettbewerb.

Aufgrund der Masse an durchschnittlich 51 Filmen im Wettbewerb der Kurzfilmtage Oberhausen und der speziellen Kurzfilmsituation musste ich die Entscheidung treffen, von diesem Festival nur die Position Regie auszuwerten. Bei manchen Filmen werden auch Drehbuch und Kamera genannt, beispielsweise gab es 2019 bei 26 der 53 Wettbewerbsfilme Angaben zum Drehbuch, und bei 24 Filmen zur Kamera. Das sind beides weniger als 50 %. Bei den meisten Filmen – auch der anderen Jahrgänge – fehlen diese Positionen, auch beim IMDB und anderen Onlinequellen sind sie nicht aufgeführt. Bei Kurzfilmen wird das Drehbuch oft von der Regie verfasst, die oft auch die Kamera übernimmt, allerdings, wenn das nirgendwo explizit angegeben wird kann ich es so nicht aufnehmen. Und 153 Filmemacher:innen in diesen Fragen zu kontaktieren konnte ich nicht leisten.

Hypothese

Meine Ausgangsvermutung war, dass der Frauenanteil bei Regie und Drehbuch am höchsten ist in Wettbewerben mit ersten bis dritten Langfilmen (Saarbrücken, Hof), Dokumentarfilmen (Leipzig, München Doku) und Kurzfilmen (Oberhausen). Und dass der Kamerafrauenanteil bei Dokumentar- und Kurzfilmen höher liegt als bei langen Spielfilmen.

Außerdem wollte ich überprüfen, ob die Mutmaßung, dass im Kino die Regisseur:innen immer auch die Drehbücher schreiben, zutrifft. Und somit die Aussage „ein Film von“ mehr noch als im Fernsehen, wo es deutlich mehr unabhängige, nicht-regieführende Autor:innen gibt, stimmt.

Ergebnisse

In den Abbildungen habe ich die Festivalnamen durch die jeweiligen Städte ersetzt, die beiden Münchner Festivals mit D (Dokumentarfilmfestival) bzw. F (Filmfestival) ergänzt und Mannheim-Heidelberg leicht abgekürzt.

Die nächsten Tabellen zeigen, wie viele der Wettbewerbsfilme prozentual gar keine Frauen in den Gewerken Regie, Drehbuch und Kamera aufwiesen beziehungsweise wie viele in allen drei Gewerken Frauen alleine oder im Team beteiligt hatten. Besonders hervorgehoben sind jeweils Werte über 50 %.

Es fällt auf, dass 2019 das Jahr mit den von Filmfrauen am wenigsten beteiligten Wettbewerben war. Das gilt allerdings nicht für alle Festivals, siehe z.B. Berlin. 

Generell wird der Regisseurinnenanteil bei Festivals in der Branche und den Medien beachtet, aber ob das für alle Festivals gilt und auch Thema innerhalb der Festivalorganisation ist, ob es gar Überlegungen zu Selbstverpflichtungen o.ä. gibt kann ich nicht sagen. Insofern messe ich in meiner Auswertung etwas, das vielleicht gar nicht Thema oder Ziel beim Festival selber ist, Geschlechtergerechtigkeit.  Auch weiß ich nicht, wieviele Filme sich jeweils bei den Festivals beworben haben und wie deren Zusammensetzung in den drei Gewerken war. Darüber spekulieren, ob Filme von Frauen (= Regie und Drehbuch) im Bewerbungsverfahren bevorzugt oder benachteiligt oder gleich behandelt werden, verbietet sich.

2021 gab es noch drei Festivals, deren Filme zur Hälfte oder mehr nur Männer in den Gewerken hatten, beim Filmfest München waren das acht von zehn Filmen. Die zweite Tabelle weist sehr viele Nullen auf, was bedeutet:  kein Film im Wettbewerb mit Regisseurin, Drehbuchautorin und Kamerafrau. Wobei ja schon eine Beteiligung, eine Zusammenarbeit mit Männern an der Spitze des Gewerks, gereicht hätte. Gerade Dokumentarfilme haben häufig mehrere DoP’s, und auch im Drehbuchbereich gibt es Teams. Trotzdem Nullen en masse, den Höchstwert von 25 %, also jedem vierten Film mit Frauen in den drei Gewerken, finden wir beim goEast Festival des mittel- und osteuropäischen Films Wiesbaden 2020. 2019 waren es immerhin schon 23,5 % (= zweithöchster Wert), aber 2021 nur noch 5,9 %. Wir dürfen gespannt sein, wie es dieses Jahr aussieht.

Es sind wie gesagt zwölf Festivals, je drei Gewerke und je drei Jahrgänge. Das lässt sich schlecht in einer Abbildung darstellen, deshalb auf neun verteilt. Jeder Jahrgang getrennt, die drei Gewerke getrennt, und die Festivals nach Höhe Frauenanteile angeordnet. (Zum Vergrößern und Durchblättern einfach eine Abbildung anklicken):

Die gleichen Zahlen, nur getrennt nach Festivals, zeigen die nächsten elf Grafiken (Hof fehlt ja noch), Cottbus und München Filmfestival konkurrieren um das Schlusslicht, und auch Hamburg schneidet nicht so gut ab wie ich mir das als Hamburgerin wünschen würde. 

Regie

(Unterkapitel ergänzt 27.1.).

Bei den insgesamt 554 Filmen in allen elf Wettbewerben 2019-21 (Hof steht wie gesagt noch aus) haben 254 Frauen und 365 Männer Regie geführt. Das sind zusammen 619, also deutlich mehr als es Filme gab, was daran liegt, dass es bei einigen Filmen – nicht nur im Dokumentarbereich – Regieteams gab.

Die durchschnittlichen Regisseurinnenanteile durch alle 11 Festival-Wettbewerbe waren 2019: 32,1 %, 2020: 45,8 % und 2021 37,9 %.

Formulierungen wie „Filme von Regisseurinnen“ sind problematisch, solange nicht ergänzt wird, wovon genau die Rede ist. Filme einer Regisseurin? Mehrerer Regisseurinnen? Filme mit in gemischten Teams beteiligten Regisseurinnen?

Der Mittelwert aller Festivaldurchschnittswerte für den Frauenanteil Regie beträgt 37,7 %. Wenn ich aber nur die Filme rechne, in denen eine oder mehrere Regisseurinnen ohne Regisseur inszeniert haben, dann ist ihr Anteil 32,8 %.  Oder um es vielleicht verständlicher auszudrücken:

In den 11 deutschen Filmfestivals insgesamt liefen in den Jahren 2019 bis 2021 in den Hauptwettbewerben ein knappes Drittel (32,8 %) Filme, bei denen ausschließlich Frauen Regie geführt hatten.

Autor:innenfilme

Und zum Schluss noch die Antwort auf die Frage nach den Autor:innenfilmen: ja, es sieht deutlich anders aus als im (deutschen) Fernsehen. In den wenigsten Filmen (das ist der jeweils erste Wert der Dreierreihen) ist die Regie gar nicht am Drehbuch beteiligt. Der zweite Wert – meist der höchste – zeigt die Filme, in denen die Regisseur:innen alleine oder als Regieduo gemeinsam das Drehbuch verfasst haben. Die dritte Zahl zeigt die Drehbücher, die von der Regie in Zusammenarbeit mit anderen Autor:innen stammen.

Ich hoffe, dass ich bald die Titel der Filme, die für den Hofer Goldpreis qualifiziert waren, erhalte. Dann kann ich eine Ergänzung  dieser Analyse vornehmen, und zusätzlich die Erstgenannten Rollen der Spielfilme auswerten.

Danksagung

Für Genderermittlungshilfe bei einigen chinesischen Filmschaffenden bedanke ich mich ganz herzlich bei May Ho Ho, Berlin, und bei Aki Sato-Johnson, Toga, für die Klärung einer japanischen Filmschaffenden.

Desweiteren herzlichen Dank an Angela Heuser, Dramaturgin (VeDRA), die meinen Ansatz im Umgang mit nichtangegebenen Drehbuchpositionen bei Dokumentarfilmen unterstützte.

Außerdem herzliche Dankeschöns an Dario Becker / Filmfest Hamburg, Sabine Niewalda / Kurzfilmtage Oberhausen und Anne Thomé / DOK.fest München für Kataloge, Filmlisten bzw. Hinweise zu den Wettbewerben auf den Festivalseiten. Ein besonderer Dank an Sebastian Hammer / Film Festival Cologne für Filmlisten und Einzellinks zu allen Wettbewerbsfilmen der drei Jahre.

 

Meine Nettoarbeitszeit an dieser Untersuchung betrug einschließlich der deutschen Veröffentlichung 58:33 Stunden. Die englische Fassung steht noch aus.

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